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Ohne Job, ohne Perspektive: Spanierinnen demonstrieren gegen die Arbeitsmarktpolitik der Regierung in Madrid, die bisher nur auf Liberalisierungsprogramme setzte.
Die von der EU-Kommission propagierte Job- und Ausbildungsgarantie für Jugendliche ist zwar ein zahnloser Vorschlag, die Idee findet aber bei Arbeitsmarktexperten große Unterstützung.
Rom/Brüssel/Wien - Sie sind jung, haben keinen Job, absolvieren keine Ausbildung und keine Fortbildung. Diese Gruppe der jungen, perspektivenlosen Spanier ist inzwischen so groß geworden, dass sie einen eigenen Namen hat: "Ni-ni"-Generation - Ni trabajan, ni estudian. Das Problem trifft aber nicht nur Spanien hart, wo 56 Prozent der unter 25-Jährigen arbeitslos gemeldet sind. EU-weit hat die Wirtschaftskrise die "Ni-ni"-Generation auf 7,5 Millionen Menschen anwachsen lassen.
Immerhin versucht die EU gegenzusteuern. Sozialkommissar László Andor hat am Mittwoch in Brüssel sein bisher ambitioniertestes Projekt gegen die steigende Jugendarbeitslosigkeit vorgestellt. Wichtiger Bestandteil des Paktes ist eine Art Job- und Ausbildungsgarantie. Der Ungar Andor möchte, dass jeder junge Erwachsene bis zum 25. Lebensjahr innerhalb von vier Monaten, nachdem er seine Stelle verliert oder seine Ausbildung beendet, ein "qualitativ hochwertiges" Angebot für einen Arbeits-, Ausbildungs- oder Trainingsplatz erhält. Die Kommission schätzt, dass die Umsetzung der Garantie 21 Milliarden Euro kosten würde. Da die Brüsseler Behörde in arbeitsmarktpolitischen Fragen nur eine eingeschränkte Kompetenz hat, ist der Andor-Vorstoß nur eine Empfehlung an die 27 EU-Länder. Der Kommissar möchte, dass die EU-Mitgliedsstaaten unter Einbindung der Sozialpartner konkrete Vorschläge erarbeiten, wie die Garantie aussehen könnte. Die Kommission will die Umsetzung der Pläne überwachen und bewerten.
Als Vorbild für die Garantie gelten ähnliche Modelle in Österreich und Finnland. In Österreich gibt es seit 2008 eine "Ausbildungsgarantie", wonach jeder Jugendliche, der nach dem Pflichtschulabschluss keine betriebliche Lehrstelle bekommt, das Recht darauf hat, eine überbetriebliche Lehrausbildung zu absolvieren, etwa bei einem Verein wie Jugend am Werk. 19- bis 24-Jährige, die ein halbes Jahr keine Stelle finden, müssen zudem vom Arbeitsmarktservice AMS ein Job- oder Kursangebot erhalten.
Das österreichische Modell ist also von einer wirklichen Jobgarantie weit entfernt, aber immerhin ist die heimische Jugendarbeitslosigkeit mit 8,5 Prozent im EU-Schnitt extrem niedrig. Doch die Bundesregierung lässt sich die Jugend-Förderprogramme auch einiges kosten, 2011 wurden laut Sozialministerium 452 Millionen Euro ausgegeben, das ist fast dreimal mehr als vor zehn Jahren.
Das ist auch der Haken am Vorschlag von Andor. Als Anreiz, damit die EU-Länder bei seiner Jobgarantie mitmachen, will er einschlägige Projekte zwischen 2014 und 2020 verstärkt fördern. Besonders aus dem Europäischen Sozialfonds sollen Mittel fließen. Wegen des anhaltenden Streits über das Budget ist noch völlig offen, wie üppig der Sozialfonds künftig dotiert wird.
Trotz der unsicheren Budgetsituation und der Unverbindlichkeit des Andor-Vorstoßes loben vom Standard befragte Arbeitsmarktökonomen die Idee einer Garantie. "Wir können jede Initiative gebrauchen", meint der Italiener Francesco Pastore. In Italien sind 36,5 Prozent der Jugendlichen arbeitslos. Zwar habe der Konjunktureinbruch und die Sparpolitik der Regierung die Lage verschärft, sagt Pastore.
50 Monate Wartezeit
Doch unabhängig von der Konjunktur kämpfe Südeuropa mit einer Reihe von Strukturproblemen. Dazu gehört in Italien, dass das Ausbildungssystem nicht praxisorientiert ist, weshalb junge Erwachsene am Arbeitsmarkt kaum unterkommen. Durchschnittlich dauert der Übergang nach Ende der Ausbildung bis zur ersten Arbeitsstelle 50 Monate.
Die Regierung Monti hat 2011 eine dreijährige betriebliche Ausbildung
eingeführt. Die italienische Version der Lehre steht allen offen, die eine
Schule oder Uni abgeschlossen haben. Bisher ist der Erfolg begrenzt, nur 120.000
Menschen nutzen das Modell. "Es ist wichtig, dass die Kommission signalisiert,
dass sie solche Projekte unterstützen möchte", so Pastore. Ähnlich argumentiert
sein deutscher Kollege Herbert Brücker: "Zusätzliche Qualifikationsangebote
werden die Jobkrise nicht beenden. Aber zumindest bieten sie eine sinnvolle
Perspektive." (András Szigetvari, DER STANDARD, 6.12.2012)