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Freude bei den Demonstranten in Ägypten: Präsident Mursi hat teilweise eingelenkt.

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8. Dezember: Präsident Mursi (Mitte) und sein Vize Mahmoud Mekky (links) mit anderen Politikern bei einem Treffen im Präsidentenpalast. Die meisten Oppositionellen waren aber nicht anwesend.

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Kairo - Der ägyptische Präsident Mohammed Mursi hat nach tagelangen gewaltsamen Ausschreitungen und Massenprotesten seine kürzlich eingeführten Sondervollmachten zurückgenommen. Die Lage blieb jedoch angespannt, denn an dem umstrittenen Referendum über einen islamistisch geprägten Verfassungsentwurf hielt Mursi fest und widersetzte sich damit der Hauptforderung seiner Gegner. "Das macht die Lage nur noch schlimmer", sagte Ahmed Said von der größten Oppositionsgruppe, der "Nationalen Heilsfront", am Sonntag in einer ersten Reaktion gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

Mursis Gegner hatten dem Präsidenten vorgeworfen, mit der per Dekret im November beschlossenen Erweiterung seiner Machtbefugnisse de facto eine Diktatur aus der Taufe zu heben. So sollten alle Entscheidungen Mursis bis zur Wahl eines neuen Parlaments juristisch unanfechtbar sein. Mursi wollte seine Vollmachten auch nutzen, um eine neue Verfassung durchzupeitschen, gegen die die Opposition Sturm läuft, weil der Entwurf ihrer Ansicht nach zu sehr die Handschrift der islamistischen Muslimbrüder trägt. Mursis Gegner lehnen daher auch das für kommenden Samstag angesetzte Referendum über das Regelwerk grundsätzlich ab. Bei einem Treffen im Präsidentenpalast versuchte Mursi, den Konflikt zu entschärfen. Allerdings boykottierten große Teile der Opposition das Gespräch am Samstagabend.

Oppositionelle kündigen weitere Proteste an

Die Tatsache, dass Mursi an dem Termin für das Referendum festhalte, sei schockierend, sagte Said, der wie Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei und Ex-Außenminister Amr Moussa eines der führenden Mitglieder der "Nationalen Heilsfront" ist. Er könne es nicht fassen, dass Mursi trotz allem, was passiert sei, eine Verfassung verabschieden wolle, hinter der nicht alle Ägypter stünden. Seine Gruppe wollte noch im Tagesverlauf über ihr weiteres Vorgehen beraten.

Die Jugend-Revolutionsbewegung 6. April kritisierte, dass der Termin für das am 15. Dezember geplante Verfassungsreferendum nicht verschoben wurde. "Wir werden unsere Proteste so lange fortsetzen, bis die Abstimmung abgesagt wird", zitierte die ägyptische Tageszeitung "Al-Ahram" die Gruppe am Sonntag.

Auch Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei wandte sich gegen das Referendum. Die Opposition werde den Verfassungsentwurf stoppen, "der unsere Rechte und Freiheiten unterdrückt", erklärte er über den Kurznachrichtendienst Twitter.

Auf dem Kairoer Tahrir-Platz und vor dem Präsidentenpalast kampierten am Sonntag weiter Demonstranten. Sie befürchten, dass die neue Verfassung der erste Schritt in Richtung Gottesstaat sein könnte.

In den vergangenen Tagen war es unter anderem vor dem Präsidentenpalast in Kairo zu heftigen Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern Mursis gekommen. Dabei wurden mindestens sieben Menschen getötet und Hunderte verletzt. Daraufhin war das Militär, das sich in dem aktuellen Machtkampf bis dahin zurückgehalten hatte, angerückt, um die Lage zu beruhigen. Dies hatte Spekulationen geweckt, die Armee könne sich auf die Seite Mursis schlagen.

Militär ermahnte beide Seiten

Das Militär war in Ägypten bis zum Sturz Mubaraks Garant der Macht des Präsidenten. In den Monaten nach seinem Abgang führte es das Land übergangsweise mehrere Monate bis zur Wahl Mursis. Am Samstag ermahnte die Armeeführung Gegner und Anhänger des Präsidenten zur Ruhe. Die beiden Seiten sollten ihre Differenzen friedlich beilegen, sagte ein Militärsprecher. Sonst drohe eine Katastrophe. "Und das ist etwas, was wir nicht zulassen werden", unterstrich der Sprecher. Die Erklärung war die bisher deutlichste Stellungnahme des Militärs in dem Machtkampf zwischen den verfeindeten Lagern.

Mursi will der Armee einem Zeitungsbericht zufolge künftig Polizeiaufgaben übertragen. Die staatliche Tageszeitung "Al-Ahram" berichtete am Samstag, das Kabinett habe eine entsprechende Rechtsvorschrift erlassen. Demnach soll die Armee dabei helfen, "die Sicherheit aufrechtzuerhalten und zentrale Staatseinrichtungen zu schützen". Sie solle dabei unter anderem zu Festnahmen befugt werden. Ab wann die Änderung gilt, wurde in dem Bericht nicht genannt.

Mursis Griff nach noch mehr Macht hatte das Land in eine tiefe Krise gestürzt. Der Präsident hatte mit einer Verfassungserklärung am 22. November bestimmt, dass die Justiz nicht das Recht habe, die Umsetzung seiner Dekrete zu verhindern. Dieser Beschluss wurde nun rückgängig gemacht. Befugnisse des Parlaments hatte das Staatsoberhaupt bereits im Sommer bekommen, als das Unterhaus nach einer Gerichtsentscheidung aufgelöst wurde.

F-16 fliegen über Kairo

Inmitten der Krise um die Verfassung in Ägypten sind Sonntagmittag mehrere F-16-Kampfflugzeuge in geringer Höhe über die Hauptstadt Kairo geflogen. Ein Militärsprecher war für eine Erklärung nicht gleich verfügbar. (APA/Reuters, 9.12.2012)