Früher einmal, als Regierungschef, da schwieg Wolfgang Schüssel, wenn ihm etwas gegen den Strich ging. Jetzt, als Ex-Politiker, kombiniert er Schweigen und Mauern. Um unerwartet, zuletzt bei einer Buchpräsentation, seine Regierungszeit als sauber und erfolgreich darzustellen. Sogar im Falle des von Korruption umwölkten Eurofighter-Kaufs.

Bei diesem Deal seien nie und nimmer Schmiergelder geflossen, sagte Schüssel. Er wisse das genau, gab er zu verstehen. Klar. Müsste jemand wie Schüssel, der selbst nach derzeitigem Informationsstand nie materiell korrupt war, zugeben, dass ohne sein Wissen, an ihm vorbei, eine Sauerei nach der anderen passiert sei, dann wäre es um Ruf und Selbstachtung geschehen.

Deshalb ignoriert er gegenteilige Positionen. Wie die des Sicherheitsexperten der deutschen Bundeswehr, Carlo Masala, der in einem Interview mit derStandard.at feststellte: "Bei großen Rüstungsdeals ist Korruption weltweit Teil des Systems."

In den von Theo Faulhaber herausgegebenen Conturen der Zeit wird Andrew Feinstein, Vizedirektor von Corruption Watch, detaillierter: "Die Rüstungsunternehmen stehen in engem Kontakt zu den jeweiligen Regierungen. Es ist kein normales Verhältnis wie sonst zwischen Staat und Unternehmen. Da es um Themen der nationalen Sicherheit geht, werden viele Aspekte dieser Beziehung geheimgehalten. So erfährt die Bevölkerung nie, was zwischen diesen Unternehmen und der Regierung wirklich ausgehandelt wird. Zum anderen erhalten diese Firmen Zugang zu aktuellen Sicherheitsinformationen." Und, ein Schlüsselsatz Feinsteins: Viele Beteiligte würden "zu der Überzeugung gelangen, dass die Regeln und Gesetze ihrer Gesellschaft für sie nicht gelten".

Einer von ihnen scheint Alfons Mensdorff-Pouilly zu sein, der Lobbyist und Jagdunternehmer, gegen den erst am Wochenende wieder neue Verdächtigungen lautwurden. Auch er weist jede Verwicklung permanent von sich - so, als sei er Akteur in einem rechtsfreien Raum.

"Kein Wille vorhanden"

Feinstein glaubt den Grund zu wissen: "Es gibt keinen politischen Willen, die Korruption im Waffenhandel zu beenden. Die Regierungen dulden das Vorgehen der Rüstungskonzerne. Und wenn es nachher Ärger mit den Gerichten gibt, intervenieren sie, und die Untersuchungen werden eingestellt." Als Illustration mag eine andere Aussage des Bundeswehr-Experten Masala im Zusammenhang mit dem Eurofighter gelten. Auf die Conturen-Frage, ob es in Deutschland nie einen Verdacht auf Korruption bei der Anschaffunng der Eurofighter gegeben habe, antwortete er lapidar: "Eine Korruptionsdebatte wurde bei uns nie geführt."

Was die politische Verantwortung Schüssels betrifft, der den Eurofighter 2002 durchgesetzt hatte, gibt es daher nur zwei Schlüsse. 1.) Er war und ist ahnungslos. 2.) Er kennt Nebenabsprachen, behält sein Wissen jedoch für sich.

Ersteres wäre, siehe oben, das Eingeständnis, die Regierungspolitik nicht im Griff gehabt zu haben. Die zweite Variante wäre der Versuch, Kriminelles zu vertuschen. (Gerfried Sperl, DER STANDARD, 10.12.2012)