Symbolisch wichtiger Auftritt: Die AKP-Politikerin Fatma Salman zeigte sich mit verschwollenem Gesicht im Plenarsaal des türkischen Parlaments, nachdem sie von ihrem Mann verprügelt worden war.

Foto: Hürriyet

Fatma Salman, die türkische Parlamentsabgeordnete der Regierungspartei AKP aus der ostanatolischen Provinz Aĝrı, beginnt ihre erste Woche ohne den Schläger-Ehemann. Eine Scheidung im Schnellverfahren wünschen sich wohl viele türkische Frauen, die bereits getrennt von ihren prügelnden Männern leben und dem Mühlwerk der Justiz zuschauen. Bei der AKP-Politikerin mit dem notdürftig überschminkten verschwollenen Gesicht dauerte es einen halben Tag - dank Intervention der Familienministerin und einer Empfehlung des Regierungschefs an seine Abgeordnete, schnell die Rechtsmittel gegen den gewalttätigen Ehemann auszuschöpfen.

Ansonsten nimmt einmal Scheiden in der Türkei in der Regel zwei Jahre in Anspruch. Während dieser Zeit kann viel passieren: ein Mord auf offener Straße wie im Fall von Ayşe Paşalı oder eben ein Besuch des rabiaten Ehemanns, der es sich plötzlich anders überlegt hat und die bereits vereinbarte Trennung mit Gewalt rückgängig machen will. Im Haus von Fatma Salman hat nur der Sohn noch Schlimmeres verhindern können, indem er seinem Vater in den Arm fiel.

Melike Keleş von der Organisation Mor Catı berichtet über andere verhängnisvolle rechtliche Lücken während der Scheidung. So wurde eine Mutter in Istanbul belehrt, dass sie ohne rechtsgültige Trennung vom Ehepartner keinen Anspruch darauf hat, dass die Behörden den Schulort ihres Kindes geheim halten. Eine weitreichende Entscheidung: Frauen, die aus der gemeinsamen Wohnung flüchten und ihre Kinder mitnehmen, wechseln oft auch die Schule für die Kinder; damit soll verhindert werden, dass der Vater die Kinder entführt.

Datenschutz ist in der Türkei ein eher vages Unterfangen, sofern es den normalen Bürger betrifft. Jeder Türke und jede Türkin erhält nach der Geburt eine Personalnummer, die in so ziemlich allen Lebenslagen abgefragt wird - bei Bareinzahlungen bei der Bank, dem Kauf eines Mobiltelefons oder eben der Registrierung in einer Schule. Weil der Vater die Personalnummer seines Kindes kennt, kann er im Internet leicht die Schule herausfinden. Zwei Frauen, die in einem Schutzhaus von Mor Catı in Istanbul leben (den Ort des Hauses macht die Organisation nicht öffentlich), konnten ihre Kinder noch rechtzeitig von der Schule nehmen, bevor die Väter auftauchten; eine Frau beantragte dann mit Erfolg die Anonymisierung des nächsten Schulorts, die andere, noch nicht rechtskräftig geschiedene Frau scheiterte damit bei der Schulverwaltung.

Der symbolisch starke Auftritt der 42-jährigen AKP-Politikerin Salman im Parlamentsplenum vergangene Woche dürfte dem Kampf gegen häusliche Gewalt in der Türkei weiter Antrieb geben. Dass eine Abgeordnete der regierenden konservativ-islamischen AKP keine Scheu hatte, sich öffentlich mit den Spuren der Gewalt zu zeigen, die ihr angetan wurde, setzt die Parteimänner unter Druck. Sie hatten im Frühjahr mit Erfolg den Gesetzesentwurf von Ministerin Fatma Şahin verwässert und dabei auch im Titel den "Schutz der Familie" vor den der Frau gestellt. (Markus Bernath, derStandard.at, 11.12.2012)