
Alessandro Hausbrandt, Träger eines berühmten Kaffeenamens, betreibt seine Antica Tostatura Triestina nach alter Methode mit holzbefeuertem Ofen.
Triest - Das Caffè degli Specchi scheint fast der einzige Ort in Triest zu sein, an dem Kaffee in Ruhe genossen wird. Hier verweilen vorwiegend Touristen, die der Blick aufs Meer mindestens so anlockt wie die Qualität des Tasseninhalts. Den wenigsten ist wohl bewusst, dass hier einige der größten Schriftsteller und Dichter des 20. Jahrhunderts - Franz Kafka, James Joyce, Rainer Maria Rilke - Stammgäste waren.
Einheimische trinken ihren "nero", den kleinen Schwarzen, üblicherweise eilig zwischendurch an der Bar. Ums Eck vom Canal Grande, am Corso Italia, stößt der aufmerksame Triest-Besucher auf das 1915 errichtete Antico Caffè Torinese, das - wie die meisten Traditionsbetriebe - Spezialitäten mittlerweile auch via Internet vermarktet.
Geschäftsleute kehren hier gerne ein, um rasch einen Espresso zu trinken und die Zeitung zu überfliegen. Im Stehen, denn die beiden Tischchen bieten kaum Platz für Lektüre. Toilette gibt es keine. Der Kellner meint augenzwinkernd, dass das Torinese viel zu antik für ein Klosett sei.
"In tazza grande"
Wer hier einen "Cappuccino in tazza grande" bestellt, ist seltsamen Blicken ausgesetzt. Fällt man durch diese Order als Tourist auf? Vermutlich nur, weil hier der Raum für einen längeren Aufenthalt fehlt. Kurzum: In Triest passt man sich am besten improvisierend an, auch sprachlich. Für längere Gespräche treffen sich Triestiner lieber im traditionellen Cafè San Marco in der Via Battisti. Schriftsteller Claudio Magris ist hier Stammkunde. In der dunklen "Arche Noah", wie Magris den Ort beschreibt, wird nicht nur geplaudert, sondern auch Tango getanzt.
Zurück zum Kaffee. Selbst Ortsansässige sind sich oft unsicher, von welcher Rösterei die edlen Bohnen bezogen wurden, die ihrem Tasseninhalt den exklusiven Geschmack verleihen. Das Logo auf der Tasse ist selten ein eindeutiger Hinweis.
Alte Namen, neue Besitzer
Zwei Beispiele: CremCaffè wurde vor neun Jahren von Julius Meinl übernommen. Die Rösterei der Marke Hausbrandt befindet sich seit über zwei Jahrzehnten nicht mehr in Triest. Aus der Familie Hausbrandt ist ein einziger im Kaffeegeschäft aktiv - Alessandro Hausbrandt. Die einst triestinische Marke wurde bereits 1988 von Martino Zanetti erworben.
Alessandro Hausbrandt hat 1995 eine neue, international orientierte und sechs Mitarbeiter zählende Rösterei in seiner Heimatstadt aufgebaut - die Antica Tostatura Triestina. Rund 400 Kilo Arabica-Bohnen werden mittels Energie aus dem holzbefeuerten Ofen in einem riesigen Kessel pro Stunde geröstet. Der Vorgang ist bis zu viermal zeitaufwändiger als der vollautomatisierte Prozess, weil nach altbewährtem Rezept jede Sorte einzeln behandelt wird.
Die in 27 Ländern nachgefragte Marke Antica Tostatura Triestina wird derzeit auf dem österreichischen Markt eingeführt. "Bester Caffè" heißt die Kooperation, die zu allererst in Innsbruck anläuft.
Triestiner Botaniker, die auf Kaffee spezialisiert sind, reisen grundsätzlich viel. Da die Kaffeebauern aufgrund ihres geringen Verdienstes wenig motiviert sind, die Qualität zu überwachen, werden standardisierte Verfahren für die Selektion in den Produktionsländern implementiert. Patentinhaber der Maschinen ist der Illy-Konzern. Die in den Anbaugebieten vorsortierten Bohnen müssen somit in Triest nur noch zum Teil kontrolliert werden.
Veraltete Infrastruktur
Firmenchef Andrea Illy (Bruder Riccardo ist Vizepräsident und war als Bürgermeister von Triest und späterer Regionalpräsident von Friaul-Julisch Venetien auch politisch aktiv) erzählt, dass vor dem Rösten einige Arbeitsschritte anfallen, die fast nur von lokalen Firmen bewerkstelligt werden. Neben Logistikfirmen - eine der größten ist Pacorini Silocaf - befinden sich drei Labore und auch die Lagerhallen in der Hafenstadt.
Rund ein Viertel des in Italien konsumierten Kaffees wird von den insgesamt elf Triestiner "torrefazioni" geröstet. Das sieht auf den ersten Blick nach einem großen wirtschaftlichen Ertrag aus. "Wien am Meer", wie die Stadt genannt wird, kämpft jedoch mit infrastrukturellen Problemen. Das Straßen- und Bahnnetz ist veraltet, der Industriehafen Servola wurde lange nicht mehr modernisiert. Der Konkurrenzhafen im slowenischen Koper holt auf.
Andrea Illy erwähnt fertige Konzepte zur Erneuerung des Hafens, etwa die Zusammenführung der beiden Porti in Monfalcone und Servola. Aber die Stadtregierung lege sich aufgrund des Widerstands der Gewerkschaft gegen jede Veränderung der Arbeitsbedingungen auch hierbei quer.
Europäische Marke
Um die lokalen Kaffeeröstereien zur Zusammenarbeit zu bewegen, wurde 2008 der Trieste Coffee Cluster gegründet. Mittlerweile sind 18 Privatfirmen beigetreten. Der Verband möchte unter anderem eine europäische Kaffeemarke schaffen. Der Präsident des Clusters, Furio Suggi Liverani, ist der Meinung, dass das traditionelle Wissen vieler Röstereien nicht ausreiche, um die lokale Ökonomie anzukurbeln. Andrea Illy, der den Cluster gutheißt, betont: "Wenn man das Wachstum in der gesamten Stadt verdoppeln möchte, muss man neue Röstereien nach Triest holen. Die Alternative ist eine verstärkte Innovation in die weiterverarbeitende Kaffeeindustrie." Er denke dabei vor allem an Löskaffee und entkoffeinierten Kaffee. Im Trend liege vor allem der "Espresso der dritten Generation", die portionierten Kapseln für den Privatverbrauch. Die sich ändernden Konsumgewohnheiten werden vom Unternehmen Illy stetig erforscht.
Der Ausbildungskoordinator der Kaffee-Universität, Moreno Faino, erläutert, dass vor allem in Griechenland und in Großbritannien löslicher Kaffee sehr beliebt sei. Immerhin werde, weltweit betrachtet, rund die Hälfte des Kaffees in Instantform getrunken. Auch der entkoffeinierte Kaffee sei trotz der alten Technologie eine Nische, die für größere Röstereien interessant sein könnte.
Durch Nischenprodukte könnten neue Absatzmärkte geschaffen werden. Heutzutage produzieren laut Liverani die kleinen Torrefazioni vorwiegend für den nationalen und den osteuropäischen Markt. illycaffè ist hingegen mittlerweile in 140 Ländern präsent. "Der Konzern erobert derzeit den arabischen Raum, der sich immer stärker für die italienische Kaffeekultur interessiert. China ist aufgrund der Teekultur noch ein hartes Pflaster", sagt Faino. (Ute Mörtl, DER STANDARD, 11.12.2012)