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Malis Regierungschef Diarra wurde nach seiner Verhaftung dazu angehalten, seinen Rücktritt im TV zu verkünden.

Foto: AP/Mali Access Out

Bamako - Wenige Stunden nach seiner Gefangennahme durch einen Trupp von Soldaten hat der malische Regierungschef Cheick Modibo Diarra den Rücktritt der gesamten Regierung bekanntgegeben. "Ich trete mit meiner Regierung zurück", sagte Diarra Dienstagfrüh im staatlichen Fernsehen, ohne eine Begründung anzuführen. Diarra war im April nach einem Putschversuch als interimistischer Premier eingesetzt worden.

Diarra war in der Nacht nach Angaben seiner Mitarbeiter von Soldaten festgenommen worden, die aus der Militärgarnison Kati zu seiner Wohnung in der Hauptstadt Bamako gekommen waren. Die Militärs sollen angegeben haben, im Auftrag von Hauptmann Amadou Haya Sanogo zu handeln.

Putschist Sanogo vermutlich Drahtzieher

Sanogo war bereits an einem Putsch im März beteiligt, bei dem der langjährige Präsident Amadou Toumani Toure gestürzt wurde. Offiziell übergab Sanogo zwei Wochen nach dem Putsch die Macht wieder an eine zivile Regierung, faktisch aber behielt er in Bamako erheblichen Einfluss.

Der Rücktritt des malischen Regierungschefs Cheick Modibo Diarra ist aber nach Darstellung des Umfelds des einstigen Putschistenführers Hauptmann Amadou Haya Sanogo nicht Folge eines Staatsstreichs. "Das ist kein neuer Putsch", sagte ein Vertrauter Sanogos, Bakary Mariko, am Dienstag dem Sender France 24. Er warf Diarra zugleich vor, nicht im Interesse Malis gehandelt, sondern eine "persönliche Agenda" verfolgt zu haben.

Militärsprecher Bakary Mariko sagte zur BBC, dass Diarras die Versuche das Land hin zu einer Demokratie zu führen, torpediert hätte. "Vor acht Monaten haben wir den Premierminister damit beauftragt, Mali wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Unglücklicherweise versucht er aber nun sich für unbestimmte Zeit an der Macht halten." Diarra werde bis zur Ernennung eines neuen Premiers in Haft bleiben. Das solle noch am Dienstag passieren.

TV-Ansprache von Militär beschlagnahmt

Diarra wollte laut einem Mitarbeiter eigentlich in der gestrigen Nacht noch nach Paris reisen, um sich medizinisch untersuchen zu lassen. Er habe zuvor eine kurze Fernsehansprache aufgenommen, die jedoch das Militär beschlagnahmt habe. Der Trupp habe die Eingangstür von Diarras Haus "demoliert" und den Regierungschef "ziemlich brutal" behandelt, hieß es.

Die Festnahme Diarras dürfte die Bemühungen erschweren, das westafrikanische Land zu stabilisieren: Militär und Politiker sind seit dem Putsch im März gespalten.

EU und ECOWAS bereiten Militäreinsatz vor

Im Norden haben islamistische Rebellen, die Verbindungen zu Al-Kaida unterhalten, die Macht an sich gerissen. Das löste Befürchtungen aus, die Region könnte zu einem Rückzugsgebiet für Extremisten werden. Diarra sprach sich wiederholt für den Einsatz einer internationalen Militärtruppe aus.

Auf Bitten der bisherigen Regierung Malis bereitet die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS einen Militäreinsatz mit etwa 3.500 Soldaten vor. Auch die EU will Mali mit mehr als 200 Militärausbildern unterstützen. Die Vorbereitungen dafür gehen trotz des Sturzes von Diarra weiter. "Natürlich werden wir ganz besonders aufmerksam verfolgen, welche Haltung das Militär einnimmt und ob es sich weiterhin in das politische Leben einmischt oder nicht", sagte ein Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton am Dienstag in Brüssel. "Wir hoffen, dass so rasch wie möglich ein neuer Premierminister ernannt wird, damit die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung beschleunigt wird", sagte der EU-Sprecher.

Die Unruhen in Mali haben nach UN-Angaben fast 350.000 Menschen zu Flüchtlingen gemacht. Etwa 200.000 von ihnen seien innerhalb des Landes vertrieben worden, sagte Flüchtlingskommissar Antonio Guterres am Montag im UN-Sicherheitsrat. (red/derStandard.at, APA, 11.12.2012)