Mündige Konsumenten informieren sich über die Umstände, unter denen das von ihnen konsumierte Produkt erzeugt wird, sie richten ihr Kaufverhalten manchmal mehr, manchmal weniger auch danach aus, ob die Leibchen, die sie anziehen, unter menschenwürdigen Bedingungen erzeugt und ob die tierischen Lieferanten des Frühstückseis artgerecht gehalten werden.

Keine fairen Arbeitsbedingungen

Dass man sich als Radiohörer oder Radiohörerin mit ähnlichen Fragen beschäftigen sollte, ist spätestens seit den in diesem Jahr immer wieder erschienenen Berichten über die rechtlichen und finanziellen Arbeitsbedingungen der freien ORF-Mitarbeiter, und hier primär bei FM4 und Ö1, klar.

Hier hat sich seit Monaten offenbar nichts getan, das kommt einem spätestens seit dem jüngsten Blog-Eintrag von Barbara Kaufmann, einer Ö1-Freien, wieder ins Bewusstsein. In ihrem Blog gibt sie einen genauen, auch zahlenmäßig untermauerten Einblick in die Arbeitsrealität einer Sendungsmacherin.

Forderung eines Hörers und Gebührenzahlers

Unter anderem führt das dazu, dass ich in dieser Form Herrn Wrabetz und Herrn Grasl zurufe: Ich fordere, dass diejenigen, die von mir mittels GIS-Beitrags mitfinanzierte Beiträge gestalten, anständig, dem Wert ihrer Arbeit und dem Zeitaufwand entsprechend bezahlt werden.

Diese Forderung beruht nicht auf einer pseudoelitären Haltung als Ö1-Hörer und Klubmitglied. Sie gilt und gälte natürlich auch für Ö3-Comedy-Produzenten und Scouts, die für Talentesendungen eventuell diejenigen raussuchen, die einen Juror zum quotenträchtigen Ausflippen bringen könnten.

Es erzeugt beim Heimfahren spätabends und Hören einer Wiederholung eines "Radiokollegs" ein ungutes Gefühl, dass diejenigen, die den Beitrag gestaltet haben, sich gerade so von Monat zu Monat weiterhanteln.

Natürlich sucht sich jeder seinen Beruf selbst aus und ist nicht gezwungen, beim oder für den ORF zu arbeiten. Wie sehr, sehr viele andere kennt auch der Verfasser dieser Zeilen Überstunden, berufsbedingte Wochenend- und Feiertagsarbeit. Der Unterschied besteht unter anderem darin, dass ich in einem fixen Dienstverhältnis stehe, sehr gut bezahlt und durch gesetztliche Bestimmungen vor Selbstausbeutung geschützt werde.

Vom Wert der Mitarbeiter

Ein Unternehmen, das seine Leistungen nur durch ebendiese Selbstausbeutung eines Teils seiner Mitarbeiter erbringen und finanziell über die Runden kommen kann, lässt bei jedem Betriebswirt und im Gegensatz zu den "ZiB"-Minuten des nächststehenden Landeshauptmanns bei jedem verantwortungsvollen Aufsichtsrat die Alarmglocken läuten.

Noch eines unterscheidet die Radiomacher von unsereins: Sie haben keine wirkliche Alternative. In vielen Bereichen ist der ORF bezüglich Arbeitskräftenachfrage Monopolist - umso mehr ist die Courage der freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bewundern.

Soll ein Ex-"Journal Panorama"-Macher wirklich live davon berichten, wie - jetzt natürlich als rein fiktives Beispiel - ein Parteijüngling dem Generalintendanten das neue iPhone 6 in den Waschraum nachträgt - und allein für diesen Gang umgerechnet wohl mehr verdient als Frau Kaufmann et al. für einen wohlrecherchierten Ö1-Beitrag?

Die ORF-Freien brennen offenbar für ihren Job - jedes Unternehmen, das solche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (sorry, Human Capital!) hat, sollte sich alle zehn Finger abschlecken. Und ist zu Recht auch stolz auf deren Leistungen; immer wieder hört und liest man von ausgezeichneten Beiträgen.

Wie kommen sich die Sendungsgestalter wohl vor, wenn sie bei solchen Preisverleihungen den salbungsvollen Worten der Führungsspitze lauschen dürfen? Ab und zu gnadenhalber mit zum Buffet genommen zu werden macht weder dauerhaft satt, noch sichert es eine Rente, die Versorgung im Krankheitsfall und die Bildungschancen der Kinder.

Vorbild ORF?

Gerade ein Unternehmen wie der ORF hat in vielerlei Hinsicht eine wertvolle Vorbildfunktion. Auch und besonders bei den Arbeitbedingungen.

Eine Unternehmensführung, die zwar willfährig besonderen Berufseinsteigern wohldotierte Einstiegschancen bietet und altgediente Wasserträger weiteralimentiert, jedoch jahrzehntelange Leistungsträger mit einem Bettel abspeist, führt ein Unternehmen nicht, sondern leitet es.

Genau die Leistungen und Erfolge von FM4 und Ö1 sind es, die immer wieder als Grund für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk herhalten müssen, sie sind es, die immer wieder ganz oben auf der Liste zur Rechtfertigung von Gebühren(erhöhungen) stehen.

Insofern gleichen die betroffenen Mitarbeiter einem kleinen Bergbauern, der von all den Förderungen, für die er argumentativ geradestehen muss, nur einen Bruchteil von adeligen Großgrundbesitzern sieht.

Natürlich bringt der Umgang des ORF mit seinen Freien nicht die Argumentation bezüglich eines öffentlich-rechtlichen Auftrags um. Er setzt nur zum Beispiel die Gebührenpflicht auf sehr, sehr wackelige und tönerne Stelzen.

Stephan Hawking hat nachgewiesen, dass sogar Schwarze Löcher nicht für die Ewigkeit sind. Und auch die Geduld und Abhängigkeit der Ö1ler und FM4ler und ihrer Hörer muss nicht ewig währen.

Keine Lobby, keine Chancen

Vielleicht leistet sich der eine oder andere Milliardär ja als Hobby einen Qualitätsradiosender (wie man im Fernsehen öffentlich-rechtliche Qualität privat erstellt, hüpft ja zum Beispiel Servus TV dem ORF immer öfter vor) und bietet ordentliche Konditionen.

Vielleicht denkt einmal eine Interessenvertretung an die journalistischen Ich-AGs und lässt ihre Spezialisten diese offenbaren Kettenverträge prüfen und Musterprozesse führen.

Vielleicht wird sich ja die Politik abseits von Postenschacher und bestellter Heiligenverehrung ihrer Verantwortung bewusst (die geneigten Leser mögen mir diesen scherzhaften Einschub in einem ernst gemeinten Kommentar verzeihen).

Oder vielleicht bloggt auch einmal ein Spitzenjurist über die Möglichkeit von Treuhandkonten und die Überweisung von GIS-Beiträgen auf diese?

Das Beste wäre aber eine von allen Seiten ruhigen Gewissens akzeptierbare Lösung noch vor Weihnachten. Dann macht es für Hörer und Hörerinnen mehr Spaß, bei fair gehandeltem Tee dem Radiohund Rudi beim Bellen zuzuhören. (Franz Strohmeier, Leserkommentar, derStandard.at, 12.12.2012)