Wien - Harald Wögerbauer, Österreich-Mitglied im Europäischen Rechnungshof (ERH) setzt sich weiter dafür ein, dass der ERH die Funktion einer europäischen Ratingagentur bekommt. "Wir sind die Einzigen, die unabhängig sind und keine Interessenkonflikte haben, weil wir weisungsungebunden sind. Außerdem haben wir keine finanziellen Interessen", sagte Wögerbauer zum Standard. Eine Entscheidung sei aber "vom politischen Willen abhängig". Unterstützung erfährt er bei Vertretern des Europäischen Parlaments, insbesondere bei Vizepräsident Gianni Pittella.

Jedenfalls seien die Privatinitiativen zur Gründung einer europäischen Ratingagentur - der Unternehmensberater Roland Berger und die Bertelsmann-Stiftung hatten Interesse bekundet - gescheitert, es hätten sich nicht genügend Investoren gefunden, erläutert Wögerbauer. Bei diesem Modell hätten die Investoren, hauptsächlich deutsche und französische Großbanken, zwischen 150 und 300 Millionen Euro Startkapital aufbringen müssen.

Die Variante, wonach die Europäische Zentralbank (EZB) auch die Funktion einer Ratingagentur übernehmen sollte, erteilt Wögerbauer eine Absage. "Da wäre die Unabhängigkeit der EZB nicht gewährleistet, da sie bereits rund 210 Milliarden Euro Staatsanleihen finanziell gefährdeter Euroländer erworben hat", sagt er. Vor allem stehe einer solchen Initiative die Entscheidung entgegen, praktisch unbegrenzt Euro-Staatsanleihen von Euroländern in finanziellen Schwierigkeiten aufzukaufen.

Ressourcen vorhanden

Bleibt der Europäische Rechnungshof, der mit knapp tausend Mitarbeitern und einem Jahresbudget von 130 Millionen Euro sowohl Know-how als auch personelle Ressourcen hätte. Für die Länderratings - und nur solche würde er machen - seien rund 40 Experten nötig, "dies könnte mit internen Umschichtungen bewerkstelligt werden". Natürlich müsste sich der ERH die Glaubwürdigkeit dafür erst erarbeiten und wäre sozusagen zum Erfolg verpflichtet. "Die Akzeptanz des ERH als unabhängige europäische Ratingagentur kann wahrscheinlich erst frühestens nach einem Jahr festgestellt werden."

Es sei jedoch für den ERH extrem wichtig, bei den neuen Einrichtungen zur Bewältigung der Finanzkrise Prüfungsauftrag zu haben. "Wir können nicht die Landwirtschaftsförderungen für Schafe überprüfen und die milliardenschweren Hilfspakete nicht".

Deshalb wertet er es als Erfolg, dass der EU-Rechnungshof im Prüfungsausschuss des künftigen Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) mit einem Mitglied vertreten ist. Etwas Ähnliches fordert er im Rahmen des EU-Fiskalpakts, der, wenn er zum 1. Jänner 2013 in Kraft tritt, jeden Paktstaat (25 EU-Mitglieder werden mitmachen, Großbritannien und Tschechien nicht) zu sparsamem Haushalten verpflichtet. Der ERH sollte die Einhaltung der daraus resultierenden fiskalpolitischen Vorgaben laufend kontrollieren dürfen. Wögerbauer meint, dass der ERH dabei dem EU-Parlament und der Kommission halbjährlich berichten sollte. Schließlich werden Euroländer in Schwierigkeiten künftig nur dann Unterstützung vom ESM erhalten, wenn sie den Fiskalpakt ratifiziert haben. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, 12.12.2012)