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Herkulesaufgabe Kapitalerhalt: Anleger im Nullzinsumfeld gefangen.

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"2013 wird das siebte Jahr sein, in dem die Märkte von der Gnade der politischen Machthaber abhängig sind." Jim Reid, der Kreditstratege der Deutschen Bank, bringt die Stimmung vieler Marktteilnehmer auf den Punkt. Auch wenn 2012 ein gutes Jahr für die meisten Anlageklassen war, die politische und wirtschaftliche Unsicherheit sei geblieben, so der einheitliche Tenor.

Ökonomen wie Willem Buiter, Chefvolkswirt von Citigroup, rechnen unbeirrt mit einem nächsten Schritt in der Eurokrise, dem Austritt Griechenlands aus der Eurozone oder einem Hilfsantrag von Spanien. Für die Leiterin des Multi-Asset-Teams beim britischen Vermögensverwalter Schroders, Johanna Kyrklund, steht die Eurozone erst vor dem "Ende des Beginns" der Krise. Tatsächlich herrscht oberflächlich noch genug Unsicherheit:

  • Eurozone: In Europa gelten die Staatsfinanzen von Italien und Spanien noch nicht als uneingeschränkt sicher. Alleine die Tatsache, dass der Langzeitpremier Silvio Berlusconi sich in Italien der Wahl stellt, hat die Börsen auf Talfahrt geschickt. Dazu kommt, dass Mario Draghi als Präsident der Europäischen Zentralbank den Märkten zwar die geldpolitische Bazooka (in Form von uneingeschränkten Staatsanleihenkäufen) in die Auslage gestellt hat. Doch das Programm der Outright Monetary Transactions (OMT) wurde noch nicht aktiviert.
  • USA: In den USA sind die fiskalischen Probleme noch nicht gelöst. Zwar rechnen viele Analysten damit, dass irgendeine Lösung für die drohende fiskalische Klippe gefunden wird. Doch ob damit das Wachstum der größten Volkswirtschaft deutlich über die mittelmäßige Marke von zwei Prozent gedrückt werden kann, ist fraglich. Dafür spricht, dass "der Häusermarkt nun definitiv die Kurve gekriegt hat", wie es die Analysten von Gavekal formulieren. Stark gesunkene Preise hätten den Wohnraum in Amerika wieder leistbar gemacht, und neue Bauaktivität könnte demnächst folgen, was den Immobilienmarkt vom Gegen- zum Rückenwind für die US-Volkswirtschaft machen könnte.
  • Schwellenländer: Zuletzt hat der Wachstumsmotor der Welt, China, sieben Quartale in Serie sein Wachstum gedrosselt - von deutlich über zehn Prozent vor 2010 auf unter acht Prozent dieses Jahr. Noch stärker eingetrübt hat sich die Wirtschaft im größten lateinamerikanischen Land Brasilien. Laut einer Umfrage unter Volkswirten wird lediglich mit einem Wachstum von knapp einem Prozent in diesem Jahr gerechnet. "Das Land kommt an die Grenzen seines Konsum-getriebenen Wachstumsmodells", urteilen die Ökonomen von Capital Economics. Doch die Schwellenländer haben einen wesentlichen Vorteil: Die Zentralbanken können 2013 - wie von vielen Analysten erwartet - die Märkte noch kräftig mit Liquidität stützen.

Besser als der Ruf

Investoren positionieren sich aber optimistischer, als die makroökonomische Unsicherheit erwarten lässt. In den vergangenen Wochen hat eine Jahresend-Rally eingesetzt, die die Aktienmärkte seit dem 16. November um vier bis acht Prozent in die Höhe getrieben hat. Seit Jahresbeginn stehen damit in den wichtigsten Märkten in Europa, den USA oder Asien Gewinne zwischen zehn und 25 Prozent zu Buche.

"Die Aktienmärkte preisen bereits eine Erholung des Wachstums im nächsten Jahr ein", schätzt Deutsche-Analyst Reid. Glaubt man den aktuellen Kursen, sollten die Volkswirtschaften in den entwickelten Ländern 2013 wieder den Wachstumskurs einschlagen. Gemessen an den Einkaufsmanagerindizes (PMI) bedeutet das, dass diese ab dem zweiten Quartal wieder deutlich über die Marke von 50 steigen sollten und damit eine Expansion anzeigen: "Wenn die Einkaufsmanagerindizes nicht sicher über die 50 kommen, werden die Märkte deutlich im Vergleich zum aktuellen Niveau fallen", so Reid.

Trotz des kurzfristigen Optimismus bleibt 2013 ein Jahr, in dem sich die Anleger eine sehr grundlegende Frage durch den Kopf gehen lassen: Wie kann man sein Kapital real (nach Inflation) erhalten? Für James Montier, Mitglied im Asset-Allocation-Team des US-Vermögensverwalters GMO, ist das die "13. Aufgabe von Herkules. Die Möglichkeiten für Anleger, ihr Kapital zu erhalten, sind ziemlich eingeschränkt." Die sicheren Anlageklassen Anleihen oder Cash bieten kaum mehr Zinsen, und riskante Vermögenswerte können in einem schlechten Jahr schnell einmal 30 Prozent ihres Wertes verlieren - und seien damit für den Kapitalerhalt ungeeignet. Für James Montier gibt es derzeit keine "verlockende Auswahl" am Kapitalmarkt:

  • Aktien: Hier gilt es strikt zu unterscheiden. Die Bewertungen könnten unterschiedlicher nicht sein. Anhand von zyklisch adjustierten Kurs-Gewinn-Verhältnissen sind US-Aktien historisch recht teuer bewertet. "Anleger sind in einem Dilemma zwischen der wahrscheinlichen Erosion ihrer Kaufkraft, wenn sie Cash halten, und dem unsicheren, aber desaströsen Kapitalverlust, der ihnen bei überbewerteten Aktien droht", mahlt Montier ein düsteres Bild an die Wand. Derzeit finden Investoren lediglich in Europa und einigen Schwellenländern günstigere Bewertungen (und damit höhere erwartete Renditen) vor. So erwarten die Aktienstrategen der Citigroup auch 2013 zweistellige Renditen mit europäischen Aktienmärkten. Alles unter dem Vorbehalt, dass sich die Schuldenkrise nicht verschärft.
  • Kredit: Auch Unternehmensanleihen sind schon sehr gut gelaufen. Gemessen am Bank of America Merrill Lynch Euro Corporate Index ist die Rendite von Unternehmensanleihen (mit einer Laufzeit zwischen einem und zehn Jahren) bereits auf knapp zwei Prozent (im Schnitt) gefallen. "Das Ertrags-Risiko-Verhältnis ist schlechter geworden. Unternehmensanleihen bieten weniger Rendite", sagte Thomas Steinberger, der Chief Investment Officer der heimischen Spängler IQAM Invest, bei der Präsentation des Jahresausblicks. Für das Risiko einer verschärften Eurokrise reicht der Puffer bei den Unternehmenspapieren aber kaum aus.
  • Staatsbonds: Wovor Zinsanalyst James Grant gewarnt hat, ist längst Realität. Aus der risikolosen Rendite der Staatsanleihen ist ein renditeloses Risiko geworden. Die fünfjährigen Staatsanleihenrenditen (real) liegen in Ländern wie Großbritannien oder Deutschland zwischen einem und zwei Prozent - im Minus. Laut Zahlen der Deutschen Bank müssen Anleger in einem Drittel der Weltwirtschaft (gemessen an der Wirtschaftsleistung) negative Realzinsen hinnehmen. "Sicherheit kostet Geld", warnt Asoka Wöhrmann, Chefanlagestratege der Deutsche-Fondstochter DWS. (Lukas Sustala, DER STANDARD, 13.12.2012)