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DFL-Präsident Rauhball (R) und sein Geschäftsführer Seifert.

Foto: REUTERS/Lisi Niesner

Frankfurt/Main - Der deutsche Profifußball hat die Zerreißprobe bestanden und eine Einmischung der Politik verhindert - aber es droht eine neue Dimension der Fanproteste. Als die Mitgliederversammlung der Deutschen Fußball Liga (DFL) ihr neues Sicherheitskonzept mit großer Mehrheit in allen 16 Punkten verabschiedete, formierte sich vor den Türen des Sheraton Congress Hotels in Frankfurt/Main bereits der Widerstand. Sogar ein Boykott eines kompletten Bundesliga-Spieltags wird von den Fans als Reaktion auf das umstrittene Papier ins Spiel gebracht.

Ligaverbands-Präsident Reinhard Rauball verkündete den DFL-Beschluss nach vierstündiger Diskussion mit großer Erleichterung. "Der professionelle Fußball ist als Gewinner aus dieser Veranstaltung hervorgegangen", sagte der Präsident von Borussia Dortmund. Die Neuerungen werden vorbehaltlich der Zustimmung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zur Saison 2013/14 in Kraft treten. Rauballs Erklärung, die Entscheidung sei "kein Beschluss gegen die Fans, sondern für den Fußball", konnte die Anhänger nicht besänftigen. Vor den Türen versammelten sich rund 600 Fans, neue Aktionen wurden geplant.

"Das Ergebnis ist sehr unschön. Ich gehe davon aus, dass es neue Proteste geben wird. Das wurde auch am Mittwoch in Frankfurt schon diskutiert", sagte Philipp Markhardt, Sprecher der Organisation "Pro Fans" und der Aktion "12:12 - Ohne Stimme keine Stimmung", dem SID. Im Sport-Bild-Interview sagte er, sogar der Boykott eines kompletten Spieltags sei eine Option. Allerdings sei noch nichts "in trockenen Tüchern". Die Anhänger würden nun abwarten, wie sich die DFL und die Vereine in der Umsetzung verhalten.

Dies scheint die entscheidende Frage zu sein, denn die Beschlüsse lassen sich in mehrere Richtungen auslegen. Wichtigste Streitpunkte des Konzeptes waren Verbesserungen der Einlasskontrollen sowie die Festlegung der Risikospiele und Ticketkontingente. Am Mittwoch wurde unter anderem beim Thema Tickets für Auswärtsfans ergänzt, dass der Heimverein eine Einschränkung gegenüber DFB und DFL begründen muss. Der Antrag von mehreren Klubs, die Abstimmung zu verschieben, wurde mit 31:5 Stimmen abgelehnt.

Den Sorgen der Fans trat Rauball entschieden entgegen. "Wir können allen Fans versichern, dass die Beschlüsse die Fußball-Kultur in Deutschland nicht gefährden", sagte der 65-Jährige: "Im Gegenteil: Diese Beschlüsse werden dabei helfen, die Fußball-Kultur zu schützen. Die angedrohten Eingriffe, die bis zur Abschaffung der Stehplätze reichten, sind damit vom Tisch." Das sei der DFL beim Treffen mit den Innenministern Ralf Jäger (Nordrhein-Westfalen) und Uwe Schünemann (Niedersachsen) in Hannover zugesichert worden.

Die Politik hatte neun Monate vor der Bundestagswahl den Druck deutlich erhöht: Die Innenministerkonferenz (IMK) drohte dem Fußball mit drastischen Maßnahmen wie Stehplatzverboten und Geisterspielen, zudem hätte sich die Liga im Falle eines Scheiterns wahrscheinlich an den Kosten für Polizei-Einsätze beteiligen müssen.

Der IMK-Vorsitzende Lorenz Caffier lobte nun die Entscheidung der DFL-Mitglieder: "In den Äußerungen von Dr. Rauball sehe ich den deutlichen Willen zum gemeinsamen Angehen der Gewalt-Probleme in Fußballstadien. Für den einen oder anderen war das Abstimmungsergebnis sicher ein Sprung über den eigenen Schatten."

Dem schloss sich auch Schünemann an: "Dies ist ein guter Tag für die Sicherheit im Zusammenhang mit Fußballspielen. Der Besuch eines Bundesliga-Spiels wird und muss auch in Zukunft ein Familienfest bleiben." Chaoten müssten isoliert werden.

Das haben die Kurven bislang nicht geschafft. In den vergangenen Wochen hatten verschiedene Fanorganisationen mit einem Stimmungsboykott in allen Stadien der Bundesliga und 2. Liga ihren Unmut über das Konzept beeindruckend zum Ausdruck gebracht. Am Mittwoch belagerten bereits vor der Entscheidung 400 Anhänger das Hotel. Rauball hatte Mühe, am Eingang vorzufahren.

Der Liga-Chef betonte, das Konzept "Stadionerlebnis" müsse der Beginn eines Prozesses sein. "Die beschlossenen Maßnahmen müssen nun unter Einbindung aller Beteiligten inklusive der Vertreter von Fan-Organisationen umgesetzt werden", sagte Rauball und versprach, "zusätzliche Mittel zu investieren - unter der Voraussetzung, dass sich der Staat nicht aus der Finanzierung von Fan-Projekten zurückzieht".

Der DFB und die Polizei begrüßten die Entscheidung ausdrücklich. "Dass die deutliche Mehrheit der Lizenzvereine Geschlossenheit demonstriert und für das Sicherheitskonzept gestimmt hat, ist ein wichtiges Zeichen für den gesamten Fußball und die überwältigende Mehrheit der friedlichen Fans in Deutschland", sagte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, betonte, die Arbeit der Polizei werde nun deutlich erleichtert. (SID, 12.12.2012)