Wien - Zehn Jahre lang genoss die Genomforschung in Österreich eine Sonderbehandlung. Als das menschliche Erbgut im Jahr 2000 entschlüsselt war, hörte das Wissenschaftsministerium auf den Rat für Forschung und Technologieentwicklung und protegierte die österreichische Genomforschung mit seinem am höchsten dotierten thematischen Förderprogramm in den Lebenswissenschaften. Zehn Jahre und fast 100 Millionen Euro Förderung später endet in Kürze das Genomforschungsprogramm GEN-AU - eine Verlängerung bzw. ein anderes derartiges Schwerpunktprogramm ist nicht in Sicht.
GEN-AU sollte den "bis dahin in Österreich relativ schwach ausgeprägten Forschungsbereich stärken", heißt es aus dem Büro von Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle. Mittlerweile seien Exzellenz und kritische Masse aufgebaut und die Lebenswissenschaften "sehr gut in der Lage, sich dem allgemeinen Wettbewerb um die Fördermittel des Wissenschaftsfonds (FWF) beziehungsweise der EU zu stellen", so das Ministerium. Daher sei eine Verlängerung des Programmes nicht vorgesehen. Beteiligte Forscher bedauern dies.
"Schwerer Verlust"
"Es ist ein bisschen schade, dass die ganze Thematik der Genomforschung in Österreich nicht mehr durch ein eigenes Programm unterstützt wird, das finde ich eigentlich nicht gut", sagte Rudolf Zechner von der Universität Graz. Auch wenn es für ihn klar sei, dass solche spezifischen Förderprogramme nicht endlos weitergeführt werden können, sei der Wegfall von GEN-AU ein schwerer Verlust.
"Für uns war die Förderung Ausgangsbasis für sehr wichtige Entdeckungen, die uns große Erfolge gebracht haben, und insofern eine tolle Unterstützung", so Zechner. Er koordinierte das von GEN-AU geförderte GOLD-Projekt (Genomics Of Lipid-associated Disorders), in dem die molekularen Ursachen von Fettstoffwechsel-Störungen untersucht wurden.
Das GOLD-Projekt sei ein Beispiel, wie österreichische Forscher, die international kaum sichtbar waren, mit "sensationellen Ergebnissen" auf Weltspitzenniveau angekommen seien; damit habe "eine ganz eindeutige Sichtbarmachung der österreichischen Forschung stattgefunden", erklärte GEN-AU-Programmleiter Oliver Kemper von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).
Netzwerk "Austromouse" geht mit unter
"Es war ein sehr gutes Projekt und es ist sehr schade, dass nichts Ähnliches nachkommt", schlägt Arabella Meixner vom Institut für Molekulare Biologie (IMBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in dieselbe Kerbe. Sie hatte zunächst von einem GEN-AU Einzelprojekt profitiert und später ein Netzwerk namens "Austromouse" aufgebaut. Um die Maus als Modellorganismus habe man hier neue technische Hilfsmittel entwickelt, Serviceleistungen geboten, Mäusestämme als befruchtete Eizellen archiviert und österreichische Forscher aus- und weitergebildet.
Mit Ende der Förderung könne man das Netzwerk nicht mehr finanzieren und die Serviceleistungen nicht mehr für alle Wissenschafter anbieten. Was andere nationale Fördertöpfe beträfe, aus denen man das Netzwerk aufrechterhalten könne, "wüsste ich nicht, wo ich da anklopfen könnte", sagte Meixner.
Kemper sieht ein Hauptziel erreicht, nämlich dem Einzelkämpfertum der österreichischen Genomforscher abzuhelfen und die Zusammenarbeit in größeren Konsortien zu bündeln. Dass die Genomforschung nicht mehr mit einem eigenen Programm gefördert wird, ist für ihn Folge eines Wechsels "von dem Instrument 'thematisches Programm' zu anderen Instrumenten", sagte er.
600 wissenschaftliche Publikationen und 40 Patente
Das Genomforschungsprogramm GEN-AU wurde vom Wissenschaftsministerium 2001 mit Ausschreibungen begonnen, es endet im März 2013. In drei Phasen wurden jeweils ca. 31 Millionen Euro vergeben. Etwa 600 wissenschaftliche Publikationen und 40 Patente resultierten laut GEN-AU-Organisatoren aus der Förderung. In den ersten beiden Phasen wurden etwa 300 Arbeitsplätze finanziert, der Frauenanteil lag bei 40 Prozent.
An der begleitenden GEN-AU SummerSchool, die kürzlich ihren Abschluss gefeiert hat, nahmen mehr als 750 Schüler teil. Jugendliche ab dem 17. Lebensjahr (und der elften Schulstufe) konnten hier Erfahrung im wissenschaftlichen Arbeiten, Laboralltag und zu Fragen der gesellschaftlichen Auswirkungen der Genomforschung sammeln. Über 70 Prozent der Jugendlichen wählte danach ein naturwissenschaftliches Studium, einige von ihnen seien bereits selbst als Forschende tätig, betont man seitens der Organisatoren. (APA, 13.12.2012)