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Shinzo Abe verspricht den japanischen Wählern, dass sich seine LDP in der Opposition von Grund auf erneuert habe.

Foto: APA/EPA/Robichon

Seit fast einer Stunde ist die Veranstaltung im Gange. Es ist Zeit für den Auftritt des voraussichtlich künftigen Regierungschefs von Japan. Shinzo Abe klettert auf das Dach eines Wahlkampfbusses. "Ich bin Shinzo Abe und extra zu Ihnen nach Machida gekommen", ruft er, so laut es geht, ins Mikrofon. Abes Stimme klingt heiser. Seit acht Tagen tourt er durch Japan, um für sich und seine Partei zu werben. Vereinzelt gibt es Applaus von den tausend Zuschauern, die sich vor dem Bahnhof von Machida eingefunden haben.

Machida ist ein aufstrebender Vorort von Tokio. Rund 425.000 Einwohner hat die Kommune, viele von ihnen pendeln mehr als eine Stunde in das Stadtzentrum zur Arbeit. Bei der Oberhauswahl vor drei Jahren hatten Machidas Bürger für die damalige Oppositionspartei DPJ gestimmt. Diesmal will Abe den Ort zurückgewinnen - so wie den Rest des Landes. Seine Chancen stehen nicht schlecht. Denn seine politischen Gegner haben viele Wahlversprechen gebrochen und Hoffnungen enttäuscht.

Die Gesellschaft altert

"Viele Dinge sind nicht so gelaufen wie versprochen", sagt eine Frau und zeigt auf das Kleinkind im Wagen vor sich. "Ich mache mir vor allem Sorgen darum, was passiert, wenn mein Kind größer wird." Sicher ist: Ihr Nachwuchs wird kräftig zahlen müssen, um die künftigen Sozialausgaben finanzieren zu können. Japan ist eine alternde Gesellschaft. Ohne Einwanderung dürfte es unmöglich sein, die Leistung der drittgrößten Wirtschaftsnation der Welt aufrechtzuerhalten.

"Ich wünsche mir vor allem eine gute Wirtschaftspolitik", sagt ein junger Mann mit dunkler Hornbrille. Deregulierung sei dafür nötig, meint er. Doch wenn es an die Pfründe von Staatsbetrieben oder Landwirten geht, verhärten sich die Fronten. Japans Bauern gehören zu den unproduktivsten der westlichen Welt. Die Felder sind klein, die Landwirte oft schon im Rentenalter. Dennoch unterstützen viele Japaner die Importzölle der Regierung, um Abhängigkeiten vom Ausland zu vermeiden. Der letzte Politiker, der in Japan Umbrüche wagte, war Premier Junichiro Koizumi. Er privatisierte unter anderem die staatliche Postgesellschaft. Nach seinem Abgang 2006 übernahm Shinzo Abe das Regierungsamt mit dem Versprechen, Reformen fortzusetzen. Doch im Schatten Koizumis wirkte er schwach. Nach einem Jahr trat er zurück.

Promis, Komiker, Stars

Eine ältere Frau raunt ihrer Freundin zu: "Letzte Woche war Shinjiro Koizumi hier, der ist so gutaussehend." Dem Sohn des Expremiers werden gute Karrierechancen in der Politik nachgesagt. Neben Inhalten ist in Japan von jeher die Verpackung entscheidend - auch in der Politik. Regelmäßig finden sich Sänger, Komiker oder Fernsehstars unter den Kandidaten, die mit der Parteielite um die Wählergunst buhlen.

Abe bietet weniger Unterhaltungswert, dafür aber markige Sprüche gegenüber China. "Ich habe noch den Krieg erlebt", berichtet eine ältere Dame, die den lautstarken Wahlkampfauftritt von einer Fußgängerbrücke aus beobachtet. "Diese Politik macht mir große Sorgen." Abe beteuert derweil, seine Partei habe aus drei Jahren in der Opposition gelernt und sich erneuert. Sie sei nun eine neue Kraft, die nach vorn blicke. Deflation, Konjunkturschwäche und Jugendarbeitslosigkeit, all diese Probleme würden nun angepackt. Eine Frau Anfang 50 sieht das anders: "Ich glaube, unser Land befindet sich in diesem Zustand, weil die LDP so lang regiert hat." (Birga Teske aus Tokio, DER STANDARD, 14.12.2012)