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Silvio Berlusconi am Mittwochabend bei einer Buchpräsentation seines Freundes Bruno Vespa in Rom.

Foto: EPA / Alessandro Di Meo

Der Ex-Premier wechselt seine Ansichten im Tagesrhythmus, frühere Verbündete sprechen von "geistiger Zerrüttung". Und über allem steht die Furcht vor einer Wahlschlappe.

 

Die neuerliche Kandidatur Silvio Berlusconis um das höchste Regierungsamt in Rom wird immer mehr Seifenoper. Wenige Tage nachdem er Premier Mario Monti das Vertrauen entzogen hatte, lud er ihn Mittwochabend ein, eine "Koalition der gemäßigten Kräfte" zu führen - einschließlich der Lega Nord. "Willigt Monti ein, ziehe ich meine Kandidatur zurück", versicherte der Ex-Premier zum allgemeinen Erstaunen: "Ich habe keine persönlichen Ambitionen."

In diesem Fall würde er sich um die politische Ausbildung des Nachwuchses kümmern, erklärte Berlusconi bei einer Buchvorstellung des befreundeten Journalisten Bruno Vespa. Der 76-Jährige sorgte mit seinen Äußerungen für erhebliche Verwirrung, auch von Journalisten ließ er sich nicht festnageln: "In diesem Moment kandidiere ich für das Amt des Premiers", so der Cavaliere. Er könne aber auch eine Bewerbung von Parteichef Angelino Alfano "keineswegs ausschließen". Immer wieder schwärmte Berlusconi von einer Allianz der rechten Mitte gegen den drohenden Sieg der Linken: "Wir müssen alles tun, damit Italien nicht in die Hände der Kommunisten fällt."

"Nicht unter Berlusconi"

Dass es derzeit in Italien keine Partei gibt, die zu einem Bündnis mit ihm bereit ist, versuchte Berlusconi zu verdrängen. Auch Lega-Chef Roberto Maroni hatte am Dienstag letzte Zweifel ausgeräumt: "Wir sind zu einer Neuauflage der Rechtsallianz bereit, aber nicht unter Berlusconis Führung." Die Drohung des Cavaliere, in diesem Fall die Lega-Regionalchefs in Piemont und Venetien zu kippen, bezeichnete Maroni als "Witz".

Der kryptische Auftritt des Medientycoons löste am Mittwoch Kopfschütteln aus. Der Christdemokrat Pier Ferdinando Casini quittierte das Angebot Berlusconis mit beißendem Spott: "Er leidet unter völliger geistiger Zerrüttung. Erst stürzt er Monti, dann will er ihn als Premier." Der Regierungschef selbst, der am Abend nach Brüssel reiste, ignorierte Berlusconis Auftritt. Er hatte kurz zuvor präzisiert, dass seine Regierung "dringende Reformen durchgeführt hat, die von meinen Vorgängern versäumt wurden".

Italiens Medien führten Berlusconis Angebot auf seine Furcht vor einer schweren Wahlniederlage zurück. Auch das negative Echo in der EU, Warnungen Berlins vor einem "populistischen Anti-Merkel-Wahlkampf" und die deutliche Kritik aus den Reihen der Europäischen Volkspartei (EVP) irritierten Berlusconi. Am Donnerstag flog er zu einer Sitzung der EVP nach Brüssel, um einem von mehreren Mitgliedern geforderten Ausschluss vorzubeugen.

Auch 90 Prozent der Abgeordneten seines Popolo della Libertà im Europaparlament sprachen sich gegen die sechste Kandidatur des Ex-Premiers aus. Seine Ankündigung, nur noch zehn Prozent der römischen Mandatare auf die Liste zu setzen, löste innerparteilich neue Turbulenzen aus. Führende Vertreter der Nationalen Allianz erwogen die Bildung einer neuen Rechtspartei. Trost fand Berlusconi inmitten der Wirrnisse einstweilen bei seiner neuen Freundin Francesca Pascale. Das blonde Showgirl hatte einst für ihn einen Fanklub gegründet. (Gerhard Mumelter aus Rom /DER STANDARD, 14.12.2012)