Wien - Die in Brüssel getroffene Einigung zur Schaffung einer Bankenunion könnte insbesondere den grenzüberschreitend tätigen österreichischen Banken zugutekommen. Diese Ansicht vertritt zumindest die in London ansässige Osteuropabank EBRD.
Viel wird zwar davon abhängen, ob sich die osteuropäischen EU-Länder, die den Euro nicht eingeführt haben, der neuen Aufsichtsstruktur anschließen werden oder nicht. Sollten aber Staaten wie Ungarn, Rumänien, Polen und Tschechien bei der Bankenunion mitmachen, wäre damit "das ganze Gezerre zwischen den nationalen Aufsehern zu Ende", wie der Forschungsdirektor der Osteuropabank EBRD, Jeromin Zettelmeyer, sagt. Eine einheitliche Aufsichtsstruktur würde die Arbeit der Banken wesentlich erleichtern und könnte Kosten senken.
Bislang haben sich Ungarn, Tschechien und Co freilich gegen die Pläne für die neue Aufsichtsbehörde, die ja innerhalb der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelt wird, quergelegt. Bei der EZB haben nur Euroländer ein Mitspracherecht, wer dem Klub nicht angehört, bleibt also außen vor. Der nun in Brüssel gefundene Kompromiss dürfte diese Ängste aber entkräftet haben. Bei der EZB wird ein eigenes Gremium zur Bankenaufsicht geschaffen, dem alle Staaten, die der Bankenunion beitreten, mit gleichem Stimmrecht angehören werden. Beschlüsse des Gremiums gelten als angenommen, solange der EZB-Rat (dem nur Euroländer angehören) nicht widerspricht. Widerspricht der Rat in einem konkreten Fall, soll Nichteuroländern die Möglichkeit gegeben werden, die Entscheidung nicht umzusetzen oder die Bankenunion überhaupt zu verlassen. Zweiter entscheidender Punkt: Bei der Europäischen Bankaufsichtsbehörde EBA, die einheitliche Regeln für die Banken aller 27 Länder erarbeiten soll, müssen künftig alle Entscheidungen mit einer doppelten Mehrheit (Euroländer, Nichteuroländer) getroffen werden.
Die neuen Regeln bei der EBA, das neue Gremium in der EZB machen die Bankenunion für die Länder Osteuropas schmackhafter, glaubt Zettelmeyer: "Das Angebot an die Nichteurostaaten, doch mitzumachen, ist jetzt ziemlich attraktiv geworden."
Der ungarische Premier Viktor Orbán sprach am Donnerstag tatsächlich von einer Entscheidung, "die besser war als erhofft". Selbst aus Tschechien kamen positive Reaktionen: "Wir werden der Bankenunion aus jetziger Sicht zwar nicht beitreten. Aber die Einigung schafft eine Grundlage dafür, dass wir es in Zukunft tun könnten", sagte der tschechische Vizeminister Radek Urban dem Standard.
Allerdings dürften die österreichischen Banken nach Einschätzung von Experten von der neuen Struktur sogar dann profitieren, wenn nicht alle Staaten in Osteuropa mitmachen. Denn mit der Bankenaufsicht wird die Möglichkeit geschaffen, ab März 2014 angeschlagene Kreditinstitute direkt über den Eurorettungsschirm zu rekapitalisieren. Selbst wenn eine Bank nie um Hilfe ansucht, könnten Investoren diesen "Schutzschirm" aus der Eurozone als zusätzliche Garantie sehen, über die Länder mit eigenen Währungen nicht verfügen. "Das wäre ein klarer Wettbewerbsvorteil für die heimischen Banken", sagt ein österreichischer Aufseher.
Dieser Nachteil soll für Länder, die sich der gemeinsamen Aufsicht anschließen, aber keinen Euro haben, immerhin ausgeglichen werden: Die EU-Kommission möchte einen eigenen Bankenabwicklungsfonds schaffen, von dem alle Länder der Bankenunion profitieren sollen.
Die großen heimischen Player am Bankenmarkt begrüßten die Einigung in Brüssel mehrheitlich. Bank-Austria-Chef Willi bald Cernko sprach etwa von einem "wichtigen und richtigen Schritt", ähnlich sieht man die Sache bei der Raiffeisen Bank International. Aber: Beide Institute pochen darauf, dass die Eurozone die Zentral- und Osteuropäer mit ins Boot holt. In der Region haben die heimischen Banken immerhin Ausleihungen in Höhe von 122 Milliarden Euro. (András Szigetvari, DER STANDARD, 14.12.2012)