Ljubljana - "Es muss klar sein, dass ein öffentliches Amt ein Privileg ist und kein Recht und auch kein unbegrenzter Job und dass man zurücktreten muss, sobald die Anschuldigungen die Integrität des Amtes zu beeinflussen beginnen", sagt der Chef der slowenischen Kommission zur Prävention der Korruption (KPK), Goran Klemencic, angesichts der Korruptionsvorwürfe gegenüber Politikern und der Proteste, die diese in Slowenien ausgelöst haben.
In der Demokratie gehe es um die Glaubwürdigkeit der Entscheidungsträger und die Umsetzung des Rechts. "Wir verlieren gerade an der Front der Glaubwürdigkeit, und deshalb verliert die Rechtsstaatlichkeit in Europa", sagt Klemencic zum STANDARD. Er kritisiert, dass Politiker Korruptionsvorwürfe als "politisch motiviert" zurückweisen würden. "Das untergräbt das gesamte System." In anderen EU-Staaten wie in Rumänien sei die Situation noch schlimmer, weil dort auch die Justiz als korrupt und politisiert gelte. "Es ist nicht einfach, Vertrauen herzustellen, aber es ist sehr schnell zerstört", warnt er. In Kombination mit der Wirtschaftskrise ergebe der Vertrauensverlust einen "sehr gefährlichen Mix", wo nach der "Justiz der Straße" gerufen werde und Populisten aufkommen könnten.
Ermittlungen gegen Maribors Bürgermeister
Klemencic, dessen Behörde maßgeblich die Ermittlungen gegen den Bürgermeister von Maribor, Franc Kangler, geführt hat, erwartet in den "kommenden Monaten den Prozessbeginn". Die Ermittlungen gegen Kangler hätten "ein Muster von Klientelismus und systematischem Amtsmissbrauch" offengelegt. Dieses stehe für ein Selbstverständnis von Parteien, die Jobentscheidungen in stadtnahen Betrieben fällen und Parteienfinanzierung sichern. "In Slowenien wie in Österreich schmiert man keine Polizisten oder bezahlt dafür, dass man eine Operation oder ein Zeugnis bekommt. In dieser Hinsicht funktioniert das System", analysiert Klemencic, "was es allerdings in Slowenien wie in Österreich gibt, ist Korruption im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe, auf höchster politischer Ebene."
Deshalb sei auch das Vertrauen in die politischen Institutionen massiv gesunken. "Die Leute glauben heute, dass jeder Politiker korrupt ist." Vor fünf Jahren habe man hingegen in Slowenien noch gar nicht über Korruption gesprochen. "Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen", sagt Klemencic.
Vorwürfe auch gegen Premier und Oppositionschef
Tatsächlich sind in Slowenien neben Kangler auch Premier Janez Jansa und der Chef der größten Oppositionspartei, Zoran Jankovic, mit Korruptionswürfen konfrontiert. "Slowenien braucht dringend Reformen, es geht um die Integrität der Politik", so Klemencic, "wir haben völlig unterschätzt, wie wichtig es ist, die Rechtsstaatlichkeit zu stärken. Wir sind einfach so in die EU und Nato gerannt." Die 2010 gegründete KPK arbeitet mit der Staatsanwaltschaft zusammen, untersteht aber niemandem und ist nicht weisungsgebunden.
Klemencic macht es Hoffnung, dass Demonstranten nun Rechtsstaatlichkeit einfordern. "Es ist ja nicht typisch für die ehemaligen Länder des Habsburgerreiches, dass sich Ängste in Demonstrationen verwandeln." In der Stajerska sei man aber immer schon kämpferischer gewesen. Am Freitag forderten in Maribor einige tausend Menschen die Auflösung des Gemeinderates, der Kangler unterstützt hat, bis zum 20. Dezember.
In Ljubljana ist der Weihnachtsfrieden trügerisch. Polizisten bewachen angesichts von weiteren erwartbaren Protesten gegen Korruption und Sparprogramm das Rathaus. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 17.12.2012)