Bernhard Huber übernimmt als Pistenretter auf der Turracher Höhe die Erstversorgung verunfallter Wintersportler. 

Foto: Bernhard Huber

Bernhard Huber ist stets ordentlich bepackt: Rucksack, Notfallpaket, Handy, Funkgerät, Blaulicht und Traubenzucker sind seine Standard-Ausrüstung, wenn er bergwärts aufbricht. Der 48-jährige Kärntner ist Alpinretter auf der Turracher Höhe und damit ein "bodengebundener" Retter auf Skiern, der die Erstversorgung übernimmt und bei Bedarf Unterstützung aus der Luft anfordert. 

Mindestens zweimal im Monat tauscht der sympathische Sanitäter das Rettungsauto der Johanniter Unfallhilfe in Patergassen gegen einen Motorschlitten mit Blaulicht und macht freiwillig Dienst in dem Skigebiet an der Grenze zwischen Kärnten und der Steiermark. 

Der Rettungs-Stützpunkt ist die Talstation der Kornockbahn, zu den Unfällen werden Huber und seine Kollegen per Funk gerufen. Verständigt werden die Pistenretter meistens von Seilbahnangestellten. "Dann packe ich den Notfall-Rucksack, der Medikamente, Infusionen und Verbandmaterial enthält und fahre mit dem Skidoo zur Unfallstelle", erklärt der erfahrene Sanitäter.

Erstversorgung der Verunfallten

Am häufigsten muss er auf der Piste Schulter- und Knieverletzungen oder Schnittwunden erstversorgen. "Schädelverletzungen sind aufgrund der Helme weniger geworden", erzählt Huber. "Besonders die taillierten Carvingski können tiefe Schnitte verursachen, die die Betroffenen im ersten Schockmoment gar nicht bemerken. Ich habe schon ganz unspektakuläre Risse in der Skikleidung gesehen, unter denen eine tiefe, stark blutende Wunde war." 

Die Pistenretter sind für die Erstversorgung der Verunfallten zuständig, außerdem sichern sie die Unfallstelle professionell ab. Kleinere Verletzungen werden im Sanitätsraum an der Talstation behandelt. Falls der Verunglückte nicht auf dem Skidoo transportiert werden kann, wird rettende Verstärkung in Gestalt des Hubschraubers angefordert.

"Unser Hubschrauber Alpin 1 ist während der Wintermonate im Tal in Patergassen stationiert und in drei bis fünf Minuten hier", erklärt Huber. In Kärnten decken die Johanniter und das Rote Kreuz mit gemeinsam vier Hubschrauber-Stützpunkten die Skigebiete ab, koordiniert werden die alpinen Rettungseinsätze über die Rotkreuz-Landesleitstelle.

Hubschrauber oder Rettungswagen

Nach den Angaben der Pistenretter schicken die Disponenten dort das am schnellsten verfügbare und passende "Rettungsmittel" - also Hubschrauber oder Rettungswagen - in die Berge. Zwischen Weihnachten und Ostern fliegen die vier Rettungshelis etwa 200 Einsätze im ganzen Bundesland.

Etwa 200 Mal werden auch die Pistenretter auf der Turracher Höhe gerufen. In der letzten Wintersaison verzeichnete das Protokoll bis Anfang Februar 87 Einsätze. "Wir führen über jeden Einsatz Buch", sagt Bernhard Huber. In dem Einsatzprotokoll werden penibel alle Informationen zum Unfall - von der Verletzungsart über den Unfallhergang bis zu persönlichen Daten der Beteiligten - vermerkt. Damit es keine rechtlichen Spätfolgen gibt, steht ähnlich wie bei Verkehrsunfällen auch immer ein Polizeibeamter den Rettern zur Seite. 

"Die Leute wissen immer weniger Bescheid über Pistenregeln und es sind viele rücksichtslose Fahrer unterwegs", beklagt Huber. An ruhigen Tagen begibt sich der leidenschaftliche Helfer deshalb auch selbst auf die Ski und betreibt Unfallvermeidung: "Skifahrer, die an unübersichtlichen Stellen wie unter Kuppen oder Kanten pausieren, weise ich auf die Gefahr eines Zusammenstoßes hin."

Ursache Selbstüberschätzung

Auch potentiell gefährliche Pistenführungen erkennt der Sanitäter bei seinen Rundfahrten durch das alpine Einsatzgebiet. "Da muss ich die Bergbahnen hier wirklich loben. Sie gehen sehr konstruktiv mit unseren Hinweisen um und entschärfen Gefahrenstellen wie Pistenkreuzungen."

Überhaupt sei die Turracher Höhe ein sehr "sicherheitsfreundliches" Skigebiet, freut sich Bernhard Huber. "Die 25-jährige Präsenz der Johanniter trägt ihre Früchte. Die Bergbahnen verpflichten ihre Mitarbeiter einmal pro Jahr zu einer Erste-Hilfe-Auffrischung, einige Bedienstete sind auch Sanitäter bei uns." Die professionelle Hilfsbereitschaft hat sich auch auf einige Hotels übertragen. "Alle großen Häuser hier oben haben Defibrillatoren und viele buchen für ihre Angestellten Kurse bei uns."

Der größte Risikofaktor in dem Skigebiet an der Grenze zwischen Kärnten und der Steiermark ist der Wintertourist selbst. "Schuld an den meisten Unfällen ist Selbstüberschätzung," meint Alpinretter Huber. "Zu wenig Können und zu wenig Kraft sind eine gefährliche Kombination auf der Piste." Am Interviewtag muss Bernhard Huber dreimal ausrücken. Zweimal braucht er Verstärkung aus dem Tal: eine Knieverletzung und ein gebrochenes Bein müssen im Rettungswagen in die nächste Praxis eines Unfallchirurgen gebracht werden. (Gabriela Poller-Hartig, derStandard.at, 21.12.2012)