Zürich - Forscher an der Eidgenössischen Hochschule Zürich (ETH) haben ein neues genetisches Netzwerk geschaffen, das mit einem Schlag die verschiedenen Krankheitsbilder des sogenannten metabolischen Syndroms - der Vorstufe zu Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen - kurieren könnte. Bei Mäusen funktioniert es bereits, hieß es am Montag in einer Aussendung anlässlich der Veröffentlichung der Studie in der Fachzeitschrift "PNAS".

Hintergrund: das metabolische Syndrom

Zu viel vom falschen Essen, zu wenig Bewegung: Immer mehr Menschen in Industrienationen zollen früher oder später ihrer Lebensweise Tribut. Bluthochdruck, veränderte Blutfettwerte, Insulinresistenz als Vorläufer von Diabetes und Bauchfett sind charakteristisch für das metabolische Syndrom. Dieses ist für die Entstehung von koronaren Herzkrankheiten der entscheidende Risikofaktor. Weltweit sterben heute weitaus mehr Menschen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen als an Krebs.

Doch bisher gibt es keine ganzheitliche Therapie gegen das metabolische Syndrom. Die Medizin diagnostiziert und behandelt jedes einzelne Krankheitsbild separat. "Dabei sind alle diese Krankheiten miteinander verknüpft", sagte ETH-Professor Martin Fussenegger vom Departement Biosysteme in Basel. Seine Forschungsgruppe hat nun einen Ansatz gefunden, mit dem alle Krankheitsbilder des metabolischen Syndroms gleichzeitig therapiert werden können.

Synthetische Signalkette konstruiert

Die Biotechnologen haben eine synthetische Signalkette aus verschiedenen biologischen Molekülen konstruiert, die mit dem Blutdruck senkenden Medikament Guanabenz startet und sich durch dessen Dosis kontrollieren lässt. Auf das Startsignal hin kommt in der Zelle eine Kettenreaktion in Gang, die in der Herstellung eines "Superhormons" gipfelt. Dieses besteht unter anderem aus GLP1, das über eine molekulare Brücke mit Leptin verbunden wird. GLP1 senkt den Blutzuckerspiegel, Leptin hemmt das Hungergefühl und spielt deshalb eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Fettstoffwechsels. Guanabenz ist ein bekannter im Gehirn wirksamer Blutdrucksenker.

Die Kombination aus dem bereits zugelassenen Medikament und dem durch das synthetische Signal erzeugte "Superhormon" bekämpft gleichzeitig alle drei Krankheitsbilder des metabolischen Syndroms. Getestet haben die Forscher ihr Netzwerk in einem Modellversuch mit diabetischen, fettleibigen und unter Bluthochdruck leidenden Mäusen. Diesen Tieren fehlt das Sättigungshormon Leptin. Sie haben deshalb ständig Hunger und fressen mehr als ihnen gut tut. Ihnen pflanzten die ETH-Biotechnologen ein Implantat mit zehn Millionen Zellen, von denen jede einzelne den künstlichen Signalweg enthielt, unter die Haut.

Auf diese experimentelle Therapie sprachen die Tiere sehr gut an: Die Konzentration von GLP1 und Leptin stieg markant an, und 24 Stunden nach Abgabe des Medikaments erhöhte sich aufgrund des GLP1-Gehalts auch die Insulinsekretion. Nach nur drei Tagen sanken im Blut die Pegel von Cholesterin und weiteren freien Fettsäuren - ein gutes Zeichen, dass sich die Tiere vom metabolischen Syndrom erholen. Das überschüssige Guanabenz, das nicht für die Aktivierung des Netzwerkes gebraucht wurde, senkte überdies den Blutdruck ab. "Dieses Verfahren ist auch für eine Therapie des metabolischen Syndroms beim Menschen realistisch", zeigte sich Fussenegger überzeugt. (APA, 17.12.2012)