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Alan Turing

Foto: Archiv

London - Im Zweiten Weltkrieg trug der britische Mathematiker Alan Turing entscheidend zur Entschlüsselung des deutschen Enigma-Codes bei - was wiederum für den Sieg über Nazi-Deutschland von großer Bedeutung war. Aber selbst einem Kriegshelden sahen die Moralvorstellungen der 50er Jahre nicht nach, wenn er eine Beziehung mit einem Mann hatte. Nur sieben Jahre nach dem Krieg wurde Turing wegen Homosexualität verurteilt, zwangspsychiatriert und mit einer Hormon-"Therapie" in die Depression getrieben. 1954 starb der Mann, der als einer wichtigsten Pioniere der Informatik gilt, an einer Vergiftung - vermutlich war es Selbstmord.

Erst 2009 sprach der damalige britische Premierminister Gordon Brown eine offizielle Entschuldigung für die "abscheuliche Behandlung" aus, die Turing widerfahren war. Das Urteil selbst wurde jedoch nicht zurückgenommen. Auch nicht, als Anfang 2012 ein entsprechendes Gesuch an die Regierung von David Cameron gerichtet wurde: Die Online-Petition mit über 23.000 Unterzeichnern wurde abgelehnt. Der Justizminister begründete dies damit, dass der Fall zwar "schockierend", das Gerichtsurteil aber gemäß der damaligen Rechtsprechung korrekt gewesen sei. Eine Begnadigung bzw. Rehabilitierung komme daher nicht in Frage.

Nun wird ein neuer Anlauf genommen, unter anderem mit der Unterstützung von Stephen Hawking und Nobelpreisträger Paul Nurse, dem aktuellen Präsidenten der Royal Society. "Wir fordern den Premierminister dazu auf, seine Autorität auszuüben und dem ikonischen britischen Helden formell zu vergeben", schreiben sie in einem offenen Brief. 

--> The Telegraph: "Enigma hero Alan Turing should be pardoned, leading scientists claim"

In einem begleitenden Kommentar schreibt "Telegraph"-Redakeur Tom Chivers gallig, dass die menschenverachtende "Behandlung", der Turing unterzogen wurde, vermutlich den Beifall ebenjener Nazis gefunden hätte, die er besiegen half. Eine Rehabilitierung nur wegen Turings Beitrag zur Beendigung des Krieges oder wegen seines Status als wissenschaftliches Genie sei aber nicht ausreichend. Wenn man wirklich ein Zeichen setzen wolle, sollten alle Menschen, die in der Vergangenheit wegen Homosexualität verurteilt wurden, rehabilitiert werden, um dieses scheußliche Kapitel der britischen Geschichte endültig zu schließen.

--> The Telegraph: "Pardoning Alan Turing will do nothing but make David Cameron feel good"

(red, derStandard.at, 19. 12. 2012)