Wien/Kampala - Weltweit werden mehr Buden als Mädchen geboren; auf durchschnittlich 100 neugeborene Mädchen kommen 107 Buben. Wie es dazu kommt, ist nicht gewiss,  doch eine Hypothese macht unterschiedliche Lebensbedingungen dafür verantwortlich: Es gibt Hinweise, dass hohe Verfügbarkeit von Ressourcen zu mehr männlichen Nachkommen führen. Wiener Forscher konnten diese Annahme nun erhärten: In Uganda gebären Mütter, die in einem Eigenheim leben, signifikant mehr Söhne als solche, die kein eigenes Zuhause besitzen. Noch stärker ist der Einfluss bei monogam lebenden Müttern mit Eigenheimbesitz, wie die im Fachjournal "PLoS One" veröffentlichte Arbeit zeigt.

Beim sogenannten "Trivers-Willard Modell" wird angenommen, dass unterschiedliche sozio-ökonomische Bedingungen für den Bubenüberhang bei der Geburt verantwortlich sind. Ein hoher sozio-ökonomischer Status und der damit verbundene gute Zugang zu Ressourcen sollten demnach vermehrt in männlichen Nachkommen resultieren. "Der mögliche Grund dafür könnte in Darwins Partnerwahlmechanismen liegen, die er in der sexuellen Selektionshypothese beschrieben hat", erklärte Bernard Wallner vom Department für Anthropologie und Verhaltensbiologie der Uni Wien, der gemeinsam mit Martin Fieder und Horst Seidler die Studie durchgeführt hat.

So werde angenommen, dass männliche Individuen mit einer besseren Ressourcenverfügbarkeit von weiblichen Individuen eher ausgewählt werden als jene mit weniger Ressourcen. "Für weibliche Nachkommen scheint dies nicht im selben Ausmaß zu gelten, da sie geringere Ressourcen durch Gesundheit und Jugendlichkeit bei der Partnerwahl wettmachen können", so Wallner zu dem Modell, das allerdings in vielen Studien nicht bestätigt wurde. Andere Arbeiten hätten aber einen Zusammenhang mit Umwelt-Stressbedingungen wie Erdbeben, Vulkanausbrüchen oder verminderter ökonomischer Mittel gezeigt, wo es zu geringeren männlichen Geburten kommt.

Eigenheim und Monogamie beeinflussen Geschlecht

Die Wiener Wissenschafter haben nun das "Trivers-Willard Modell" anhand eines Datensatzes aus Uganda vom Minnesota Population Center überprüft. "Das war der weltweit einzige komplette Datensatz, der uns erlaubt hat, Geschlechterverteilung und Eigenheim-Besitz in Beziehung zu setzen und dabei auch Bildungsgrad der Mütter, ihr Alter, Kinderzahl und Beziehungsstatus zu berücksichtigen", begründete Wallner die Auswahl Ugandas.

Anhand der Geburtendaten von 438.640 Frauen konnten die Wissenschafter zeigen, dass in einem Eigenheim lebende Mütter signifikant mehr Söhne gebären als solche, die kein Zuhause besitzen. "Die Studie belegt außerdem, dass eine monogame Lebensweise in Kombination mit einem Eigenheim die stärksten positiven Einflussfaktoren für männliche Geburtenraten darstellen", so Wallner, der sich vergleichbare Studien über industrialisierte Länder wünschen würde. "Denn gerade die explodierenden Immobilienpreise könnten beispielsweise zu sozio-ökonomischen Stressbedingungen führen, die nicht nur physiologisch, sondern auch reproduktionsbiologisch Menschen und Gesellschaften nachhaltig beeinflussen", so der Wissenschafter. (APA/red, derStandard.at, 22.12.2012)