Cartoon: Oliver Schopf

Der Medienandrang war groß, das Blitzlichtgewitter ein schweres, als am Dienstag die sieben Angeklagten im zweiten Bawag-Prozess den Verhandlungssaal betraten. Der Urteilsspruch des Schöffensenats stand auf dem Programm; und wie immer stürzten sich die Fotografen und Kameraleute vor allem auf Bawag-Investor Wolfgang Flöttl.

An diesem Tag, der für alle Angeklagten ein ganz besonderer werden sollte, war auch seine am Sonntag aus New York angereiste Frau Anne Eisenhower mitgekommen. Flöttl hat seine Wien-Wochen, in denen der von Richterin Claudia Bandion-Ortner geführte Erstprozess im Auftrag des Obersten Gerichtshofs wiederholt wurde, übrigens auf seine Art genutzt: Er hat jeden Tag trainiert, 18 Kilo abgenommen und steckte am Urteilstag in einem blauen 200-Dollar-Anzug, "dem billigsten, den ich habe, und dem einzigen, der mir noch passt".

Wenige Minuten später wurde es ernst, mucksmäuschenstill war es im Saal 303 des Straflandesgerichts, als Richter Christian Böhm das Urteil verkündete. Und das glich einem Paukenschlag. Alle sieben Angeklagten wurden vom Vorwurf der Untreue freigesprochen: Investor Wolfgang Flöttl, Wirtschaftsprüfer Robert Reiter und die sogenannten kleinen Vorstände, also Christian Büttner, Hubert Kreuch und Josef Schwarzecker. Auch Peter Nakowitz, der als Generalsekretär den Titel "rechte Hand" von Bankchef Helmut Elsner trug, wurde freigesprochen. Eine Strafe von drei Jahren hat er schon, sie ist aber nicht rechtskräftig. Nur Ex-Bawag-Aufsichtsrats- und Ex-ÖGB-Finanzchef Günter Weninger wurde wegen eines Bilanzdelikts im ÖGB zu einem Monat (bedingt) verurteilt; vom Untreuevorwurf wurde aber auch er reingewaschen. Weninger, der ein Teilgeständnis abgelegt hatte, nahm sein Urteil ("Es ist gerecht") sofort an.

Den Angeklagten stand die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Nur Flöttl drehte sich zu seinen Anwälten Herbert Eichenseder und Christian Hausmaninger: mit faustgeballter Siegesgeste.

Zur Erinnerung: Alle sieben Angeklagten waren von der Erstrichterin und nachmaligen Justizministerin im Juli 2008 wegen der Spekulationsverluste von 1,7 Milliarden Euro zu unbedingten Haftstrafen wegen Untreue (Beihilfe) verurteilt worden. Ankläger war damals Georg Krakow, nachmaliger Kabinettschef von Bandion-Ortner. Spekulant Flöttl etwa hatte von der ersten Erstinstanz 2,5 Jahre (davon zehn Monate unbedingt) ausgefasst. Der OGH hat den Großteil des Urteilsspruchs vor fast genau zwei Jahren gekippt und an die erste Instanz zurückgewiesen. De facto unangetastet blieb das Urteil gegen Ex-Bankchef Johann Zwettler; er bekam fünf Jahre Haft, ist aber haftuntauglich. Sein Vorgänger, Helmut Elsner, gilt als Haupttäter: Er hat schon im ersten Verfahren die Höchststrafe (zehn Jahre) bekommen, von der er 4,5 Jahre abgesessen hat. Seither ist Elsner haftuntauglich.

Elsner war "obstruktiv"

Im jetzigen Verfahren war Elsners Rolle (die Bawag hat ihm eine Subsidiaranklage beschert) die des großen Abwesenden. Trotz vieler Versuche konnte ihn Richter Böhm nie herbeischaffen; inzwischen ist sein Verfahren ausgeschieden. Laut seinen Anwälten ist der herzkranke Elsner auf Kur in Bayern und verhandlungsuntauglich. Der Richter sprach in dem Zusammenhang von "obstruktivem, nahezu ausschließlich auf Störung ausgelegtem Verhalten" Elsners, der handle, als habe "er nichts mehr zu verlieren". Elsner zeigte sich am Dienstag "empört".

Laut Richter sind Elsner und Zwettler die Haupttäter; sie hätten alle anderen getäuscht. Keiner der nun Freigesprochenen hätte den Vorsatz gehabt, die Bank zu schädigen, alle hätten sie den Angaben Elsners und Zwettlers vertraut.

Und Flöttl? Er war laut Richter als internationaler Investmentbanker nicht dazu verpflichtet, zu überprüfen, wie viel Geld ihm die Bank zum Spekulieren überlassen darf. Zwar habe er Vorstandsbeschlüsse in Richtung weiterer Investments beeinflusst; Befugnisse habe er aber nicht missbraucht. Auch dem Wirtschaftsprüfer der Bank, Reiter, sei keine Schädigungsabsicht vorzuwerfen.

Rechtskräftig sind die Urteile noch nicht; Staatsanwältin Sonja Herbst gab zwar zunächst keine Erklärung ab, die Staatsanwaltschaft wird aber Rechtsmittel anmelden. In der Justiz ist man aber nicht sicher, dass das seit fünfeinhalb Jahren laufende Verfahren noch einmal in die zweite Instanz geht. Herbst hat ja schon das jetzige Verfahren nicht führen wollen. Sie hatte, wie berichtet, für die Einstellung des Verfahrens und zum Teil für Diversionen plädiert. Die Oberstaatsanwaltschaft hat es anders gesehen. Die Entscheidung, wie es nun weitergeht, so viel ist in dieser Causa klar, wird im Justizministerium getroffen.

Und Wolfgang Flöttl? Er wollte nach dem Freispruch, noch auf der Anklagebank sitzend, "am liebsten Doktor Eichenseder ein Bussi geben; aber das hab ich dann doch nicht getan". (Renate Graber, DER STANDARD, 19.12.2012)