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Kraus über den Fischfang in der EU: "Das größte Problem ist immer noch, dass wir in einigen Flotten Überkapazitäten haben, oftmals in Südeuropa."

Foto: REUTERS/Rafael Marchante

Die EU hat einen Großteil ihrer Quoten für den Fischfang neu verhandelt. Der Meeresforscher Gerd Kraus erklärt, warum es den großen Fischbeständen derzeit besser geht und EU-Subventionen sie gefährden. Tobias Müller fragte.

Standard: Die EU hat am Dienstag ihre Fischereiquoten für das kommende Jahr verhandelt - was halten Sie von den Plänen?

Kraus: Im Großen und Ganzen sind die Pläne vernünftig, der Vorschlag der Kommission deckt sich großteils mit den Empfehlungen der Wissenschaft. Bei vielen kleinen Beständen sollen die Quoten um 20 Prozent gesenkt werden, dass ist sogar mehr, als wir vorgeschlagen haben. Nur bei einzelnen Arten gibt es Abweichungen.

Standard: Wie geht es den europäischen Fischen denn gerade?

Kraus: Wir haben eine komplizierte Gemengelage. Für 65 Prozent der bewirtschafteten Bestände fehlen ausreichende Gutachten. Für die kommerziell wichtigen Bestände, die etwa 80 Prozent Biomasse ausmachen, haben wir viele Daten und eine gute Situation, die Bestände erholen sich. Je kleiner die Bestände werden, desto weniger wissen wir aber, und wir befürchten oft, dass die sich nicht so gut entwickeln.

Standard: Bei Umweltorganisationen klingt das oft dramatischer.

Kraus: Wir wären nicht, wo wir heute sind, wenn die Umweltverbände nicht einmal die Finger in die Wunde gelegt hätten. Die malen die Situation zwar sicher oftmals schwärzer, als sie wirklich ist, aber das ist eben auch ihr Job. Das Problem der Überfischung ist ja real, und die Umweltverbände haben eine deutliche Sensibilisierung der Bevölkerung erreicht.

Standard: Welchen Fisch kann man derzeit bedenkenlos essen?

Kraus: Der Nordsee-Scholle geht es gut, nur die Fangmethode mit Schleppnetzen ist nicht optimal. Auch der Seelachs, der oft in Fischstäbchen landet, entwickelt sich gut, genauso Hering, Nordseekrabben und Kabeljau. Viele Leute glauben, dass Kabeljau furchtbar überfischt ist, aber da muss man differenzieren. Der Kabeljau in der Ostsee ist gar nicht überfischt, der Nordostarktische Kabeljau bei Norwegen hat sogar ein historisches Maximum.

Standard: Als Konsument weiß ich aber oft nicht, wo mein Kabeljau gefangen wurde.

Kraus: Es entwickelt sich gerade eine Reihe von Siegeln. Das etablierteste ist das blaue MSC-Siegel. Da kann man sich zumindest sicher sein, dass man nichts ganz gravierend falsch macht.

Standard: Warum erholen sich die Bestände?

Kraus: Die europäische Fischereipolitik hat in den letzten Jahren viele langfristige Bewirtschaftungspläne entwickelt. Die Fangquoten dürfen nicht mehr so stark schwanken, jährlich maximal zwischen 15 und 25 Prozent. Früher war das so, dass jedes Jahr im Dezember der große Quotengeschacher losging. Es gab eine wissenschaftliche Empfehlung, dann wurde rumgefeilscht, und die Quoten wurden zum Teil mehr als die Hälfte überzogen. 2009 waren 37 Prozent der beschlossenen Quoten über den Empfehlungen, 2010 waren es 17 Prozent, 2011 elf Prozent, 2012 nur noch fünf Prozent. Da gibt es einen deutlichen Trend in die richtige Richtung.

Standard: Wie sieht es außerhalb Europas aus? Arbeiten europäische Firmen dort auch nachhaltig?

Kraus: Theoretisch müssen sich alle Schiffe, die unter europäischer Flagge auf den Meeren unterwegs sind, überall an die gleichen Regeln halten. Dass sie das nicht tun, ist ein offenes Geheimnis. Oft liegt das daran, dass es keine guten Daten für ein nachhaltiges Befischen gibt, oder es gibt Interessen von Drittstaaten: Für viele sind die Fangquoten eine gute Einnahmequelle, die verkaufen dann mehr, als für den Bestand oder die eigene Fischerei gut wäre.

Standard: Was wäre denn die wichtigste Maßnahme gegen Überfischung?

Kraus: Das größte Problem ist immer noch, dass wir in einige Flotten Überkapazitäten haben, oftmals in Südeuropa.

Standard: Die EU wollte das mit Abwrackprämien lösen, was dazu geführt hat, dass für jedes abgemeldete Schiff zwei neue angemeldet wurden. Was kann man tun?

Kraus: Fischer bewirtschaften ein Gemeinschaftsgut, verdienen damit Geld und werden zusätzlich noch subventioniert. Das halte ich für grundfalsch. Wenn man die Subventionen einstellt, würden die Überkapazitäten schrumpfen und dem anpassen, was man in dem Sektor langfristig verdienen kann. Stattdessen wird aber gerade eine neue Abwrack- und Neubauprämie diskutiert. Die führt dann bei gleicher Kapazität zu größerer Effektivität.

Standard: Wie steht die Diskussion um das sogenannte Rückwurfverbot?

Kraus: Es gibt ein teilweises Verbot. Früher war das so: Die Fischer haben den Bunker mit Schellfisch gefüllt, dann haben sie plötzlich Kabeljau gefangen, der mehr wert ist, dann haben sie den Schellfisch über Bord geworfen und den Kabeljau eingelagert. Das ist nun verboten. Ein Problem ist noch der Rückwurf von zu kleinen Fischen oder solchen, für die Fischer keine Quote haben.

Standard: Ist das kontrollierbar?

Kraus: Jein. Das Meer ist groß und weit. Im Moment wird diskutiert, eine Kameraüberwachung an Bord einzurichten. Im momentanen System kann man es nicht völlig kontrollieren. (Tobias Müller, DER STANDARD, 19.12.2012)