Kein Schädigungsvorsatz gegen die Bank, keine subjektive Tatseite und damit sieben Freisprüche: Das Urteil von Richter Christian Böhm im zweiten Bawag-Prozess ist für zahlreiche vom STANDARD befragte Strafrechtler nachvollziehbar und für viele sogar eine notwendige Korrektur des "schlampigen" Urteils aus dem ersten Verfahren.

Im Bawag-Prozess ging es im Kern um riskante Kreditvergaben der Bank an den Investor Wolfgang Flöttl ab 1995. Die Deals waren schlecht oder gar nicht besichert, woraus der Bawag ein horrender Verlust erwachsen ist. Die entscheidende Frage war nun in beiden Prozessen: Wer wusste wann was? Laut Richter Böhm haben die früheren Bankchefs die nun freigesprochenen Mitangeklagten getäuscht, weshalb die Freisprüche erfolgen mussten.

Der Hintergrund: Im Strafrecht gilt, dass es nicht ausreicht, wenn ein Täter eine widerrechtliche Handlung setzt - er muss die Schädigung eines anderen zumindest billigend in Kauf nehmen. Genau hier lagen die Probleme in den Verfahren gegen die freigesprochenen Exbankvorstände Hubert Kreuch, Josef Schwarzecker und Peter Nakowitz.

Bereits der OGH hatte 2010, als er das erste Urteil von Richterin Claudia Bandion-Ortner aufhob, von schweren Fehlern bei der Vorsatzfeststellung gesprochen. So hatte die spätere Justizministerin dem früheren Bawag-Chef Helmut Elsner im Urteil etwa vorgeworfen, dass er die Vorstände Kreuch und Schwarzecker über die tatsächlichen Risiken bei den Geschäften mit Flöttl getäuscht habe. Bei den Ausführungen über Kreuch und Schwarzecker hieß es im selben Urteil aber, dass die beiden sehr wohl über die Risiken der Geschäfte Bescheid wussten und einen Verlust der Bank in Kauf nahmen. Solche Widersprüche fanden sich auch bei den anderen Angeklagten.

"In Untreueverfahren ist der Nachweis des Vorsatzes oft schwierig. Die Widersprüche aus dem ersten Urteil sind aber ziemlich problematisch. Da im zweiten Verfahren offensichtlich keine neuen Feststellungen dazukamen, ist der Freispruch nachvollziehbar", meint der Wiener Jurist Robert Kert. Besonders, weil in Elsners rechtskräftiger Verurteilung drinsteht, dass er die übrigen Vorstände getäuscht hat, sei dem Gericht nicht viel anderes übriggeblieben, als die übrigen Angeklagten freizusprechen. "Ansonsten wären die Urteile widersprüchlich gewesen", so Kert.

Etwas anders argumentiert der Innsbrucker Jurist Klaus Schwaighofer. Er verweist zwar ebenfalls auf die Fehler im ersten Verfahren, "allerdings muss man dem zweiten Gericht zugestehen, dass es die Beweise anders bewertet. Das Zweitgericht hat den Vorsatz nicht als erwiesen angesehen. Auch wenn das für die Öffentlichkeit vielleicht schwer zu verstehen ist: Es ist ziemlich normal, dass Richter zu unterschiedlichen Einschätzungen gelangen."

Zufrieden mit dem Urteil ist der bekannte Strafverteidiger Richard Soyer, der Ex-Bawag-Aufsichtsratschef Günter Weninger verteidigt hat. "Dem Richter im zweiten Verfahren ist es nicht um Publicity gegangen. Er hat die Akten sehr sorgfältig studiert." (András Szigetvari, DER STANDARD, 19.12.2012)