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Eine Sojus-Rakete auf dem Weg ins All. Eine absolut fehlerfreie Software ist die Voraussetzung für einen reibungslosen Start.

Foto: dapd

Der Mensch lebt in einer rundum technologisierten Umgebung, die sich nicht nur dadurch auszeichnet, dass immer mehr Geräte verwendet werden, auch handelt es sich dabei um zunehmend komplexere Systeme. Beide Entwicklungen führen dazu, dass sie nicht nur das Leben erleichtern, sondern auch mehr Gefahren bergen.

Sie können die Hardware, also etwa fehlerhafte Bauteile, betreffen oder auf einer Verschiebung des Anwendungsbereichs beruhen, wenn etwa wissenschaftliche Erkenntnisse für militärische Zwecke eingesetzt werden. Viele dieser Gefahrenquellen werden breit diskutiert. Eine Sicherheitslücke, die erst in letzter Zeit vermehrt die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich gezogen hat, sind Fehler, die im System selbst zu finden sind: Programmierfehler in der Software.

Diese sind auch immer öfter im Alltag spürbar: Derzeit können etwa einige Züge auf der neuen Hochleistungsstrecke zwischen St. Pölten und Wien nicht fahren, weil die Softwareumstellung Probleme macht. Immer wieder werden auch Fälle von Laptops bekannt, die nach einem Softwarefehler in Flammen aufgehen. Fehler in der Auto- oder Flugzeugelektronik können zur Lebensgefahr werden.

Hans Tschürtz ist einer der ersten, die in Österreich zu diesem Thema gearbeitet haben. Er leitet an der FH Campus Wien das Forschungsprojekt " Integrativer Safety-Prozess", das sich in seiner fünfjährigen Laufzeit noch bis nächstes Jahr der Sicherheitsoptimierung der Software technischer Systeme widmet.

Dabei stoßen die Wissenschafter auf ein grundsätzliches Problem, denn eine Software lässt sich nicht in gleicher Weise prüfen wie die Hardware, bei der man dem Material mitunter schnell eine schadhafte Stelle ansieht. In der Software sind die Fehler weniger offensichtlich, denn jeder Informatiker programmiert in seiner eigenen Weise. "Nicht alle haben denselben Ausbildungsstatus, und nicht alle Menschen denken gleich", sagt Tschürtz.

Deshalb seien Programmierfehler schwieriger zu finden und würden gleichzeitig aufgrund der steigenden Komplexität immer häufiger passieren. Tschürtz unterscheidet zwischen zwei Formen der Komplexität: Einerseits werden die Programme immer verzweigter und umfangreicher, was als technische Komplexität bezeichnet wird. Andererseits wird die Organisation der Softwareentwicklung immer komplizierter, was als organisatorische Komplexität bezeichnet wird.

Kulturelle Fehlerquellen

Dazu kommt, dass der Trend dahin geht, Systeme von Entwicklungsteams in unterschiedlichen Ländern und Kulturen zu entwickeln. "Diese kulturellen Einflüsse bergen die große Gefahr, dass etwas missinterpretiert wird", sagt Tschürtz - seiner Ansicht nach eine zentrale Frage, der man sich in Zukunft widmen muss, um die Sicherheit technischer Geräte zu gewährleisten.

Typische Beispiele, bei denen Programmierfehler verheerende Folgen hatten, finden sich im Flugbetrieb und in der Raumfahrt. 1996 explodierte die europäische Trägerrakete Ariane 501 nach nur 40 Sekunden Flugzeit. Glücklicherweise war die Rakete unbemannt, wodurch keine Menschen ums Leben kamen, doch der ökonomische Schaden war mit rund 370 Millionen Dollar (nach heutigem Kurs rund 280 Millionen Euro) beträchtlich - womit der Programmierfehler bislang als der teuerste der Geschichte gilt.

Einheitliche Systematik

Trotz der breiten Anwendungsfelder ist das Ziel des Safety Competence Center Vienna der FH Campus Wien die Entwicklung eines Modells, das zwar individuell spezifiziert werden kann, aber in einer einheitlichen Systematik jedes beliebige technische System nach Fehlern durchforstet. Dabei sollen Fehler schon in der Konzeption erkannt und so in der weiteren Entwicklung, der Anwendung und der Entsorgung gleich vorweg eliminiert werden. Kooperationspartner des von der FFG geförderten Projekts sind der Technische Überwachungsverein (TÜV) und das Austrian Institute of Technology (AIT).

Ab Februar 2014 wird die FH Campus Wien den Master "Safety- and Systems-Engeneering" anbieten - damit ist Wien neben York die einzige Ausbildungsstätte in diesem Bereich, betont Tschürtz. Auf das Thema Softwaresicherheit - im Fachdiskurs wird vor allem vom englischen Begriff Safety gesprochen - ist er gekommen, indem er sich in ein Forschungsfeld gesucht hat, "wo die Wiese noch sehr grün ist", wie er sagt. Nach wie vor sei das Fachgebiet wenig beforscht, vor allem in Europa. Eines seiner großen Ziele: "Eine europaeinheitliche Safety-Kultur prägen." (Tanja Traxler, DER STANDARD, 19.12.2012)