Kann hier irgendwer mal einen Quarterback holen? Mark Sanchez schreit sich bei den Jets die Seele aus dem Leib. Für 50 Millionen Dollar würden manche sogar noch Football spielen.

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Colin Kaepernick heute noch als Backup auszuloben, das ist bereits eine Reminiszenz. Fünf Starts absolvierte der „Sophomore" bisher für die San Francisco 49ers, daraus resultieren vier Siege. Sonntagnacht fixierten die Kalifornier in einem Spiel der Extraklasse gegen die New England Patriots ihre erneute Playoffteilnahme. Beim 41:34-Erfolg steuerte Kaepernick 244 Yards und vier Touchdowns bei. Der wichtigste war ganz sicher sein letzter im Spiel - ein Pass über 38 Yards auf Michael Crabtree - nachdem New England im vierten Quarter einen 10:31 Rückstand kurzfristig egalisieren konnte. Den Patriots standen am Ende zwar fast 140 offensive Yards mehr zu Buche, allerdings produzierten sie, bzw. die 49ers Defense, vier Turnovers. Auch Kaepernick verlor vier Mal den Ball, der blieb dabei aber stets in den eigenen Reihen. Nicht ganz unglücklich, aber auch nicht unverdient, dieser Erfolg, der den bereits hoch fliegenden Niners noch mehr Aufwind verleihen wird.

Dabei wäre aus dem heute 25-jährigen Kaepernick beinahe ein Baseballer geworden. Als begnadeter Pitcher an der High School bekam er haufenweise Scholarships angeboten, als Footballspieler wollte ihn nur Nevada haben. Er entschied sich für das Schweinsleder und gegen den Korkkern. 49ers Headcoach Jim Harbaugh erkannte das in Kaepernick schlummernde Potential und nach einer Verletzung des vor der Saison designierten Starters Alex Smith, nutzte er seine Chance. Smith gesundete, Harbaugh blieb bei CK. Schöne Story, wenn man nicht Alex Smith ist.

Wer die feinsinnige Offensive New Englands unterm Strich in den Griff bekommt, zumindest so weit, um als Sieger vom Platz zu gehen, der ist automatisch ein Favorit auf den Titel. Zwar verlor New England zuvor schon drei Spiele, allerdings alle früh in der Saison und davon zwei in der unseligen Replacement-Ref-Ära, deren Protagonisten einiges dazu beitrugen, damit Arizona und Baltimore in Summe dann drei Punkte mehr am Konto hatten als der Vorjahresfinalist. Seit der Woche 7 sah man bis zu diesem Spiel aber nur mehr New England-Siege, darunter ein beeindruckender Erfolg über Houston in der Vorwoche. Gut möglich also, dass dieses denkwürdige Sunday Night Game am 3. Februar des kommenden Jahres ein „Rückspiel" bekommt.

Denver sichert sich vorerst die Bye

New England rutschte damit auf den undankbaren dritten Platz der AFC ab, da auch ein anderer Platzhirsch sein Revier definierte. Denver, deren Quarterback Peyton Manning im Comeback-Jahr als Saison-MVP favorisiert wird, demontierte Baltimore, das nun im letzten Saisondrittel plötzlich einen bedenklichen Eindruck hinterlässt. Niederlagen gegen Pittsburgh, Washington und nun gegen die Broncos sind auf ihr offensives Substanz-Manko zurückzuführen. Die Herren Flacco, Rice & Co produzieren 339,6 offensive Yards im Schnitt pro Spiel (#21 der Liga), das sind weniger als Philadelphia oder Buffalo und gerade mal ein wenig mehr als Kansas City. Da läuft es gerade gar nicht und wenn die Defense dann auf den 25. Platz der Ligastatistik abrutscht, dann dämmert es auch den Herrschaften in Maryland, dass es auch heuer wieder nichts werden könnte mit einem Spiel um die Lombardi-Trophy.

Pittsburgh kollabiert - Cincinnati profitiert

Das Playoff erreichten die Ravens in Woche 15 trotz dieser Niederlage, da auch eine andere Grande Dame der AFC North selbstzerstörerische Tendenzen aufweist. Die Pittsburgh Steelers machten nach der historischen, weil allerersten Heimniederlage gegen San Diego, in Dallas gleich ansatzlos weiter. Zwar sahen die Steelers gegen die Cowboys schon weit besser aus als noch gegen die Chargers, eine Interception von Roethlisberger in der Overtime nutzte mittelbar Dan Bailey dann aber mit einem Fieldgoal zum Heimsieg. Der Kicker entschied damit zum zweiten Mal in Folge ein Spiel zugunsten der Seinen. 27 von 29 Fieldgolaversuchen in der Saison saßen, dazu verwertete der 24-Jährige in seiner zweiten Saison alle 32 Extrapunkte. Für mich der Mann des Jahres in Dallas.

Wo es zwei Verlierer gibt, muss es auch einen Sieger geben und der heißt vorerst mal Cincinnati, das sich den Wildcard-Platz der Steelers einverleibt hat. Am kommenden Sonntag steht für die Bengals das Rückspiel gegen die Steelers am Programm, zu Hause unterlag man vergangenen Oktober mit 17:24. Pittsburgh wäre bei einer Niederlage ausgeschieden, bei einer Niederlage der Bengals hätten diese dann nur mehr eine Chance, wenn Indianapolis gleichzeitig in Kansas City verlieren würde, wovon man in Ohio gar nicht ausgehen darf.

Der Umstand, dass Cincy am 30. Dezember auch noch das Rückspiel gegen Baltimore im Programmheft stehen hat, macht die derzeitige Situation noch schöner. Zum einen handelt es sich natürlich um zwei schwere Brocken zum Abschluss, die allerdings beide aktuell nicht in Überform spielen, zum anderen hat man tatsächlich nicht nur die Chance in der kommenden Woche raus zu fliegen, sondern eventuell auch noch die Möglichkeit, die Division zu gewinnen. Ganz ehrlich: Mich würde das sehr freuen. Ich brauche nicht jedes Jahr die Steelers im Playoff und schon gar keine, die gegen Oakland, Tennessee, Cleveland, San Diego und Dallas verloren haben. Was soll das eigentlich? Und dazu wünsche ich mir eine hübsche Wildcard-Begegnung zwischen New England und Baltimore (wegen der doppelten Revanche und so) und ein Nord-Süd Duell Cincinnati - Indianapolis. In der Superbowl stehen sich dann Luck und RG3 gegenüber. Das wär's aus meiner Sicht. Das wird's aber wohl nicht.

This Game Sent Football Back A Hundred Years

Dieser Kommentar auf ESPN beschreibt das Monday Night Game zwischen den New York Jets und den Tennessee Titans zwar ein wenig drastisch, allerdings ist es dann gar nicht mal so weit weg von der Wirklichkeit. Man mag es kaum glauben, dass die heurigen „Leistungen" von „Mr. Buttrunner" Mark Sanchez noch zu unterbieten gewesen wären, doch er, der im Juni einen Vertrag unterschrieb, der ihm 2013 ein Gehalt von 8,35 Millionen US-Dollar sichert, konnte das bislang Dargebotene tatsächlich noch „übertreffen".

Die Titans, offensiv bis auf einen guten Drive und ein Big Play in diesem Spiel nicht vorhanden, mussten sich aufs Punten verlegen (zehn Mal) und damit boten sich den Gästen zahlreiche Gelegenheiten, das Spiel zu ihren Gunsten zu entscheiden. Im Falle Sanchez sind es dann halt auch zahlreiche Möglichkeiten, um sich zu blamieren. Nach drei Interceptions, waren die New Yorker noch immer voll im Rennen um die Playoffs, mit einem Rückstand von lediglich vier Punkten auf die offensiv völlig desolaten Hausherren in Nashville. Sanchez warf rund zwei Minuten vor Spielende dann aber seinen vierten Pick und die Partie schien gelaufen. Die Titans gingen jedoch erneut 3 & Out und ihr Punter Brett Kern brachte das Ei aus der Endzone heraus nur bis zur eigenen 25 Yard Linie. Das waren keine Geschenke mehr von Tennessee, sondern eine Einladung: Bitte, gewinnt das doch! Tennessee wurde nicht erhört. Im ersten Play nach dem missglückten Befreiungsschlag ließ Sanchez den Ball nach dem Snap fallen, die Titans nahmen ihn auf und knieten dieses Desaster von einem Footballspiel ab.

Ein bezeichnendes Ende für die Saison der Jets, denn so grauslich sie seit September manchmal auch spielen, kam es am „Elimination Day" dann doch noch zur totalen Entblößung. Rex Ryan ließ die dritte Serie - sehr wohl geplant, wie gleichzeitig völlig sinnfrei - Tim Tebow als QB spielen und setzte den bekannten Pocket-Passer-Helden mit einem Empty Backfield der Meute aus. Das ist nicht Coaching, das ist nicht mal Playstation-Football, das ist einfach nur völliger Unfug und da man muss man auch die Frage stellen, wer das diesem Mann eigentlich erlaubt hat.

Rex Ryan hat Sanchez als den designierten Franchise-Quarterback der Jets gemeldet und dafür votiert, dass dieser einen mit 50 Millionen US-Dollar dotierten Fünfjahresvertrag erhält. Er hielt an Sanchez fest, als er von Woche zu Woche übler spielte. Er verknüpfte damit sein Schicksal unmittelbar mit dem seiner Nummer 6. Rex Ryan muss gehen, alles andere wäre eine Verlängerung dieses untragbaren Zustands.

Mark Sanchez bekam eine, zwei, drei, unzählige Chancen zu beweisen, dass er ein NFL-Quarterback ist. Marz Sanchez ist kein NFL-Quarterback. Mark Sanchez muss gehen, alles andere wäre eine Verlängerung dieses untragbaren Zustands. Die 8 Millionen plus Zerquetschte müssen die Jets schlucken, auch wenn es ihnen die Salary damit zerdrückt.

Nichts anderes als das ist zu erwarten, wenn Besitzer Woody Johnson sich nach der Saison an die Öffentlichkeit wenden wird.

Giants stürzen ab, Redskins siegen mit Cousins

Kommen wir zur NFC, die es zwar schwer hatte, noch unübersichtlicher zu werden, diese Hürde aber trotzdem genommen hat. Zur Vereinfachung gehe ich mal davon aus, dass weder New Orleans noch St. Louis ins Geschehen noch eingreifen werden und nur am Papier noch am Leben sind. Ebenso habe ich Miami in der AFC mal außen vor gelassen. Das ist vorbei, liebe Fins-, Saints-, Rams-Fans. Get over it.

Diese Woche gab es in der NFC nämlich die Veränderungen, die schon seit Wochen herbeigeredet wurden. Da haben wir mal die Giants (8-6), oder das, was von ihnen übrig blieb nach der Erfahrung von Atlanta (12-2). 0:34 bei den Falcons, die angeblich ja extrem überbewertet sind. Auch meine Rede, so sicher bin ich mir jetzt aber nicht mehr. Mit dem Shutout verloren die Giants nicht nur ihren vierten Playoffplatz (an die Redskins), sondern fielen auch aus den Wildcard-Rängen, die nun weiterhin Seattle (9-5) und (das neu wie auch gleich wieder) Minnesota (8-6) inne haben. Die Seahawks nutzen die Gunst der Stunde wie auch des Spielplans und ließen gegen Buffalo keine Zweifel an ihrer momentanen Stärke aufkommen. Ein schweres Spiel gegen San Francisco, denen man theoretisch noch den Divisionstitel streitig machen kann und ein eher leichtes gegen St. Louis zum Abschluss. Seattle wird das Playoff erreichen, davon kann man angesichts der derzeitigen Form ausgehen.

Nicht so toll sieht es für die Vikings aus, da sie noch in Houston und gegen Green Bay ran müssen, denn mit Chicago und den drei NFC East Teams gibt es drei weitere Mannschaften (Washington und Dallas spielen noch einmal gegeneinander), die 10-6 gehen könnten. Wobei Chicago nach der dritten Niederlage in Folge nicht mehr frisch aussieht, mit Arizona und Detroit aber ein Wellness-Programm vor sich hat.

Interessant wird die Entscheidungsfindung in der East. Washington hat derzeit die Nase vor Dallas und den NY Giants, die Redskins und Cowboys treffen in der letzten Runde (30. Dezember) in einem vermutlich dann entscheidenden Spiel aufeinander. Für die Giants sieht es nur dann noch gut aus, wenn sie am Sonntag (ab 22:30 Uhr Live auf PULS 4) in Baltimore gewinnen.

Kirk Cousins geht ja auch

Die Redskins trafen vor dem Spiel gegen Cleveland eine mutige und im Nachhinein richtige Entscheidung. Super-Rookie Robert Griffin III hätte zwar mit viel Knieweh spielen können, er verletzte sich ja am Ende des Spiels gegen Baltimore, wurde aber bewusst für die letzten beiden Partien geschont. Für ihn kam ein weiterer Rookie, der schon bei seinem Kurzeinsatz gegen die Ravens eine gute Figur machte und sein Talent gegen die Browns unter Beweis stellte - Kirk Cousins. Über 70 Prozent Completion Rate, 351 Offense Yards, zwei Touchdowns und eine Interception reichten zusammen mit RB Alfred Morris (zwei TDs) zum 38:21-Erfolg nach einem 10:14 Rückstand zur Pause.

Das ist doch schon interessant, oder? Da haben die einen (Jets) zwei klingende Namen und einen Rookie auf der Spielmacher-Position, aber keiner von den dreien bringt auch nur irgendwas zusammen, bei den anderen (Redskins) scheint es völlig egal zu sein, ob der eine oder andere Rookie Quarterback spielt, denn man gewinnt mit beiden. Kann es sein (nur eine Vermutung), dass Harbaugh (mit Kaepernick) und Mike Shanahan (mit RG3 und Cousins) nicht nur mehr Glück, sondern ein Auge und Gespür für Personal haben, woran es bei einem Rex Ryan fehlt? Ist der vielleicht gar kein Headcoach, sondern bestenfalls ein Coordinator? Der hatte doch nicht mal einen Plan, als er Tebow holte, oder können Sie mir beantworten, was dessen Aufgabe dort eigentlich ist? Die Jerseys will nun keiner mehr kaufen, die eine Hälfte der Stadt hat Mitleid, die andere wünscht ihn (Tebow) samt der Mannschaft eine gute Reise nach Nirgendwo. Man kann heute klar die Guten von den weniger Guten unterscheiden. Dass Ryan dazu immer große Sprüche klopft, ist heute für mich verständlicher. Damit hat er seine Unsicherheit und in der Funktion auch seine Inkompetenz übertüncht. Die Jets werden übrigens ihre letzten beiden Spiele mit Rookie Greg McElroy als Starter bestreiten. Oder mit ihm, Tebow und Sanchez in einer geilen Troika. Jeder ein Play und No Huddle zur Bestrafung. Bis einer trifft.

Cowboys reiten wieder

Womit wir abschließend zum Fall Dallas kommen, das sich in den letzten Wochen, im Gegensatz zu ihrem AFC Pendant Jets - tatsächlich am Riemen gerissen hat. Es hat die AFC North Teams Cincinnati und Pittsburgh, zugegeben mit viel Fortune und denkbar knapp, besiegt, darf jetzt damit aber wieder hoffen. Der Weg ist ganz „einfach": New Orleans schlagen - Washington schlagen - Division gewinnen. Alle anderen Wege könnten zu sein. Die Giants wurden zuletzt zwar arg gerupft, trotzdem sind ihnen Siege über Baltimore und Philadelphia zuzutrauen. Würden die Cowboys in dem Fall gegen New Orleans verlieren, fährt der Bus ebenso ohne sie ab, wie im Falle eines jeden 1-1 die Wildcard für alle drei NFC East-Teams in Gefahr geraten würde, Richtung Norden (Minnesota, Chicago) zu wandern. Es ist in Summe die bekannt spannende Situation in der Division, wie wir sie eigentlich aus den vergangenen Jahren kennen. Mit dem kleinen Unterschied, dass nun Washington mitmischt.

Weihnachtliches NFL-Programm

Die TV-Woche beginnt mit einem Monday Night Game am Samstag (!) auf ESPN America. Detroit in Atlanta (Sonntagnacht 2:30 Uhr) hört sich nach viel an, es geht aber um relativ wenig. Die Falcons können ihre #1 Position in der NFC endgültig fixieren, die Lions (die hatte ich mal bei 8-8 am Saisonstart!) könnten damit die rote Laterne der Conference übernehmen. Am Sonntag geht es dann los mit der möglichen Vorentscheidung in der AFC (East) bei Pittsburgh vs. Cincinnati (19:00 Uhr). Ab 22:25 Uhr kämpfen die Giants um ihre Playoff-Chance in Baltimore. In der Sonntagnacht kommt es zum Spitzenspiel in der NFC West zwischen den Seahawks und den 49ers (Montagmorgen 2:20 Uhr).

PULS 4 ist am Sonntag ab 22:30 Uhr ebenfalls live in Maryland bei den Raben und den Riesen. Michael Eschlböck und meiner einer werden erstmals Cheerleader im Studio mit bei uns haben, womit wir notfalls allfällige Altherrenprobleme (in Maryland) und überlebte Weltuntergänge (generell überall) kompensieren und feiern können. Tanz, tanz, tanz, den Untergangs-Cha-Cha-Cha! Apokalypso sowieso. (Walter Reiterer, derStandard.at, 19.12.2012)

NFL Woche 15

Philadelphia Eagles vs. Cincinnati Bengals 13:34
Atlanta Falcons vs. New York Giants 34:0
St. Louis Rams vs. Minnesota Vikings 22:36
New Orleans Saints vs. Tampa Bay Buccaneers 41:0
Miami Dolphins vs. Jacksonville Jaguars 24:3
Houston Texans vs. Indianapolis Colts 29:17
Cleveland Browns vs. Washington Redskins 21:38
Chicago Bears vs. Green Bay Packers 13:21
Baltimore Ravens vs. Denver Broncos 17:34
San Diego Chargers vs. Carolina Panthers 7:31
Buffalo Bills vs. Seattle Seahawks 17:50
Arizona Cardinals vs. Detroit Lions 38:10
Oakland Raiders vs. Kansas City Chiefs 15:0
Dallas Cowboys vs. Pittsburgh Steelers 27:24 n.V.
New England Patriots vs. San Francisco 49ers 34:41
Tennessee Titans vs. New York Jets

Tabellen der Conferences
Playoff-Bild