Maya-Expertin Estella Weiss-Krejci beantwortet Fragen zum Kalender, der angeblich ein Armageddon voraussagt.

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Maya-Hieroglyphen am Tortuguero-Monument 6, auf dem das Datum geschrieben steht. Wörtlich steht dort: "Das 13. Bak'tun wird abgeschlossen sein."

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Estella Weiss-Krejci auf einem Maya-Tempel in Lamanai, Belize.

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Geht am 21. Dezember 2012 die Welt wirklich unter, oder wird alles so weiterlaufen wie zuvor? Maya-Expertin Estella Weiss-Krejci beantwortet Fragen zum Kalender, der angeblich ein Armageddon voraussagt, und ärgert sich über den Weltuntergangs-Hype.

daStandard.at: Sie kommen gerade von der 17. Europäischen Maya-Konferenz. War der Weltuntergang dort ein Thema?

Weiss-Krejci: Natürlich. Dort waren viele bekannte Mayanisten anwesend - unter anderem Michael Coe, ein sehr bekannter Wissenschaftler, der auch viele Bücher über die Maya geschrieben hat. Eines davon war das meistverkaufte Maya-Buch aller Zeiten. Er war derjenige, der in den 1960er Jahren zum ersten Mal diese Idee in die Welt gesetzt hat, dass das 13. Bak'tun ein Untergangsdatum, ein Armageddon ist. In der Zwischenzeit glaubt er nicht mehr daran, aber es ist zu spät. Andere Nicht-Mayanisten haben die Idee aufgegriffen und weiter ausgebreitet. Jetzt steht sie da, und wir müssen damit leben.

daStandard.at: Die Welt wird am Freitag also nicht untergehen?

Weiss-Krejci: Nicht, wenn wir den Maya Glauben schenken.

daStandard.at: Was hat es denn mit diesem Datum, dem 21.12., auf sich?

Weiss-Krejci: Das 13. Bak'tun geht zu Ende. Es ist tatsächlich so, dass der 21. gar nicht unbedingt das besagte Datum ist, es kann auch der 23. sein. Wir haben zwei Korrelationen, mit denen wir im Moment rechnen, weil sie die wahrscheinlichsten sind. Sicher sind wir uns nicht, ob das 13. Bak'tun am 21. oder am 23. endet.

daStandard.at: Für alle Nicht-Mayanisten: Was ist denn das 13. Bak'tun?

Weiss-Krejci: Die Maya hatten einen sehr komplexen Kalender - eigentlich nicht nur einen, sondern mehrere. Einen nennt man die Lange Zählung. Die Maya zählen genau wie wir ab einem gewissen Punkt in der Vergangenheit einfach hinauf. Dieses Nulldatum liegt im Jahr 3114 vor Christus. Es wird in den Inschriften nicht als Nulldatum geschrieben, sondern als 13. Bak'tun - das Ende des alten 13. Bak'tuns.

daStandard.at: Wie sah diese Zeitzählung der Maya aus?

Weiss-Krejci: In der Langen Zählung rechneten die Maya mit folgenden Zeiteinheiten: K'in, Uinal, Tun, K'atun und Bak'tun. K'in ist ein Tag wie bei uns, Uinal ein Monat von 20 Tagen, Tun ist ein Jahr mit 360 Tagen - 20 mal 18. Und dann multiplizieren sie immer weiter mit 20, um auf die höheren Zeitebenen zu kommen. Das K'atun ist eine Zeitperiode von 7.200 Tagen, also 360 mal 20. Und 7.200 mal 20, das ist das Bak'tun. Es ist 144.000 Tage lang. Und von diesen Bak'tuns werden am Freitag 13 seit dem Nulldatum vergangen sein. Das ist eigentlich alles: Das 13. Bak'tun ist zu Ende, und wahrscheinlich beginnt das 14.

daStandard.at: Das heißt, man weiß nicht, wie es weitergehen könnte?

Weiss-Krejci: Es gibt unterschiedliche Ansichten. Entweder beginnt es wieder von vorne, man fängt wieder bei null an und zählt hinauf. Oder wir zählen einfach normal weiter. Es gibt tatsächlich Inschriften, die von zukünftigen Ereignissen berichten, die nach Ablauf eines Pik'tun im Jahr 4772 nach Christus stattfinden werden. Ein Pik'tun ist eine Einheit von 20 Bak'tun, also von 2.880.000 Tagen.

Im "Tempel der Inschriften" in Palenque, Mexiko, liegt der berühmte Maya-König K'inich Janaab Pakal begraben. Oben auf dem Tempel befindet sich eine Inschrift, in der über diesen König, seine Vergangenheit, aber eben auch die Zukunft gesprochen wird. Neben dem ersten Pik'tun werden noch weitere Daten erwähnt, die Millionen von Jahren in die Zukunft weisen. Wenn man diesen folgt, weiß man: Der Kalender zählt einfach weiter, es passiert überhaupt nichts. Das Jahr 2000 war bei uns auch nicht das Ende. Es ist einfach ein Kalender, nicht mehr.

daStandard.at: Seit wann begleitet Sie dieser Weltuntergang-Mythos?

Weiss-Krejci: Die Anfragen kommen seit dem Jahr 2009, als der Film "2012" von Roland Emmerich erschien. Da ging es los mit dem Hype. Generell ist das Thema Weltuntergang sehr populär im Moment - nicht nur, was Maya anbelangt.

daStandard.at: Und es lässt sich gut vermarkten: Von Weltuntergangs-Partys bis hin zu Hollywood-Filmen - der Maya-Weltuntergang ist ein Verkaufsschlager.

Weiss-Krejci: Ich finde das amüsant. Ich gehe auch auf eine Party und stoße auf den Weltuntergang an. Es ist eine Gelegenheit zu feiern, aber ich nehme es nicht ernst, und ich glaube, die meisten, die auf diese Partys gehen, tun das auch nicht. Offensichtlich lässt sich mit dem Thema aber sehr, sehr viel Geld machen. Einige, die darüber geschrieben haben, wie etwa John Major Jenkins und Erich von Däniken, sind reich geworden.

daStandard.at: Stört Sie dieses mediale Bild, das derzeit von den Maya vermittelt wird?

Weiss-Krejci: Es stört mich, aber ich kann es nicht ändern. Es stört mich, wenn ich eine Zeitung aufmache, einen Artikel über die Maya lese und den aztekischen Kalender sehe, der mit den Maya überhaupt nichts zu tun hat. Und wieder einmal lesen muss, dass die Welt untergeht oder dass der Kalender endet - was ja auch schon falsch ist. Das ist alles ein richtiger Blödsinn. Aber es ist offensichtlich so tief in allen drinnen, dass es sich nicht mehr ändern lässt. Ich habe es aufgegeben, die Leute umzustimmen. Ich denke mir nur: Nächstes Jahr haben wir wieder Ruhe. Ich sehe das in der Zwischenzeit sehr gelassen, weil ich gemerkt habe, es ist hoffnungslos.

daStandard.at: Hat die mediale Aufmerksamkeit auch positive Aspekte?

Weiss-Krejci: Ja, die gibt es auch. Wenn sich die Leute näher mit dem Thema auseinandersetzen, merken sie sowieso, dass nichts dran ist. Sie haben aber trotzdem Interesse an der Maya-Kultur entwickelt. Das ist nicht schlecht. Auch im Maya-Gebiet gibt es Pro- und Kontra-Stimmen. Denn dort haben auch einige Leute sehr gut damit verdient.

daStandard.at: Was würden Sie den Weltuntergangs-Fanatikern gerne sagen?

Weiss-Krejci: Denen, die Partys feiern, würde ich sagen: Schöne Party und viel Spaß. Und denen, die es ernst nehmen: Am Samstag werden sie hoffentlich alle klüger sein. Doch auch das bezweifle ich, denn es ist sehr interessant, wie Weltuntergangs-Fanatiker den nicht erfolgten Weltuntergang dann einfach weiter in die Zukunft verschieben.

daStandard.at: Haben Sie ein Beispiel?

Weiss-Krejci: Eine ehemalige Klassenkollegin von mir war Zeugin Jehovas. Sie hat mir immer ganz aufgeregt vom Weltuntergang erzählt. Der kam aber nie. Das hält die Zeugen Jehovas aber auch nicht davon ab, neue Weltuntergänge zu finden. Das Lustige an diesen Leuten ist: Wenn die Welt an einem Datum nicht untergeht, dann suchen sie sich einfach ein neues. In den nächsten zehn Jahren steht sicher wieder ein Azteken-Weltende bevor - mal sehen, ob man sich darauf auch so stürzt. (Jelena Gučanin, daStandard.at, 20.12.2012)