Graz - Patienten, die ihre Gliedmaßen nicht mehr bewegen und möglicherweise auch nicht mehr sprechen können, sind in ihrer Lebensqualität schwerst beeinträchtigt. Im Brain Computer Interface-Labor (BCI) an der TU Graz lassen Forscher durch Gehirnströme Computer und Neuroprothesen arbeiten, um schwer körperbehinderten Menschen den Kontakt mit der Außenwelt zu erleichtern.

"Der Mensch denkt, die Maschine lenkt": So lässt sich, streng vereinfacht, das Prinzip des BCI umschreiben. "BCI, auch Gehirn-Computer-Schnittstelle genannt, heißt, die Kraft der Gedanken direkt in technische Steuersignale umzusetzen", erklärte Gernot Müller-Putz, Leiter des Instituts für semantische Datenanalyse der TU Graz. BCI-Lösungen, die auf der Idee beruhen, die verschiedenen Muster der Gehirnströme für die Interaktion per Computer zu nutzen, berge vor allem für Personen mit körperlichen Handicaps neue Perspektiven, sind die Forscher überzeugt.

Datenrauschen des Gehirns

"Schon die bloße Vorstellung, einen Arm zu heben, ändert messbar die elektrische Hirnaktivität", schildert Müller-Putz. Diese Änderungen der elektrischen Spannungen können über Messungen an der Schädeloberfläche mittels Elektroenzephalogramm (EEG) aufgezeichnet und in Signale für verschiedene Anwendungen umgewandelt werden: Etwa in die Steuerung einer Prothese oder die Bewegung eines PC-Cursors. Dazu braucht es aber eine Technologie, die das Datenrauschen des Gehirns in möglichst großer Vielfalt nicht nur sicher, sondern auch über längere Zeiträume erfassen, analysieren und klassifizieren kann.

Zurzeit sind die Grazer Forscher in sechs EU-Projekte eingebunden: Das in den nächsten Wochen auslaufende Projekt TOBIS hatte das Ziel, Neuroprothesen zur Armbewegungs- und Greifwiederherstellung zu entwickeln: "Damit könnten die durch hohe Querschnittslähmung zuvor eingeschränkten Funktionen der Hand, also das Greifen, wieder hergestellt werden", erklärt Müller-Putz. Die Steuerung erfolgt hier über Bewegungsvorstellungen.

Im EU-Projekt DECODER treiben die Grazer Wissenschafter den Einsatz von Gehirn-Computer-Schnittstellen zur Erkennung von Bewusstsein bei "Non-responsive"-Patienten voran - also bei Personen, die zwar prinzipiell wach sind, aber keine oder so gut wie keine Reaktionen auf Stimuli oder Äußerungen innerer Bedürfnisse zeigen können: "Entweder ist bei diesen Patienten kein tatsächliches Bewusstsein mehr vorhanden , oder ihre motorischen Funktionen sind komplett ausgefallen", sagt Müller-Putz. Im zweiteren Fall könnte der Einsatz von BCI zumindest eine minimale Kommunikation mit der Umwelt ermöglichen. Die Grazer Experten entwickeln dazu ein BCI für Systeme, die durch einen einzigen Schalter gesteuert werden können. (APA/red, derStandard.at, 19.12.2012)