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Bezüglich diverser angekündigter Apokalypsen im Laufe der Menschheitsgeschichte ist nur eines sicher: Glänzende Geschäfte lassen sich damit auf jeden Fall machen.

Foto: apa / Franziska Kraufmann / dpa

Wien - Göttliche Interventionen, der ablaufende Maya-Kalender. Treibhauseffekt, ökologischer Verfall, der Anstieg des Meeresspiegels, Methanexplosionen. Supervulkanismus, Umpolung. Atomkriege, Terrorismus. Schwarze Löcher, Meteoriten, globale Seuchen. Gammablitze, Quantenexplosionen, Alieninvasionen, Zombies, Roboteraufstände - vielleicht am Ende auch der schiere Überdruss der Menschheit an sich selbst.

Bereits 2003 stellte der niederländische Wissenschaftsjournalist Maarten Keulemans mit exitmundi.nl eine Seite ins Internet, die sich ausschließlich mit einem je nach Lesart uralten Traum oder Albtraum der Menschen beschäftigt, jenem des Untergangs.

Kunststück. Entwicklungsgeschichtlich betrachtet sind diverse Apokalypsen unter anderem für eines verantwortlich. Wir krabbelten einst aus dem Wasser. Und wir entwickelten uns später aus Dinosauriern zu jener sesshaften Speerspitze der Säugetiere, die sich heute im günstigsten Fall zivilisiert kriegerisch um einen Liegeplatz in der ersten Reihe am Urlaubsstrand balgt, von dem wir kamen. Wir machen das mittels der frühmorgendlichen Markierung durch Badetücher. Sehen wir dabei einmal großzügig von Seebeben, Tsunami oder ökonomischen Grundbedingungen ab, die weite Teile der Menschheit daran hindern, das Wort Urlaub auch nur vom Begriff her zu kennen.

Laut einer gern zitierten Schätzung des US-Paläontologen David Raup sind im Laufe der Erdgeschichte immerhin 99,99 Prozent aller jemals über den Planeten kreuchenden und fleuchenden Tierarten ausgestorben - weil sie sich aufgrund von Umwelteinflüssen, Kontinentalverschiebungen oder gemeinen Meteoriteneinschlägen, Vulkanismus, Eiszeiten oder Hunger, Durst, fad, lästig nicht auf neue Gegebenheiten einstellen konnten.

Maarten Keulemans jedenfalls reichte 2010 in deutscher Fassung ein dazugehöriges, recht ausführliches Buch namens "Exit Mundi. Die besten Weltuntergänge" nach. Vielleicht auch angesichts des jetzt am 21. Dezember endenden Maya-Kalenders und einer zumindest mit Stand 19. Dezember durch nichts begründeten Gefahr, dass uns der Himmel auf den Kopf fallen könnte, wurde es nicht nur zu einem heimlichen Bestseller auf dem Schwarzsehermarkt. Man bekommt auch eine überaus vergnügliche Lektüre geboten, die im Stile des fröhlichen Pessimisten Bill Bryson und "Eine kurze Geschichte von fast allem" von 2003 an den letzten Dingen rührt.

Sehen wir einmal davon ab, dass sich die Menschheit sehr wahrscheinlich einmal frühzeitig selbst erledigen wird, was man aber besser im Politik- und Wirtschaftsteil dieser Zeitung nachliest: Bryson und Keulemans kommen vor dem natürlichen Ende dieses Universums aufgrund der Ausweitung der Sonne dankenswerterweise beide zu dem Schluss, es sei ohnehin ein Wunder, dass uns all die letzten hunderte Millionen Jahre nach dem letzten großen Einschlag noch immer kein weiterer Meteorit erledigt hat. Immerhin fliegt da draußen im All jede Menge Zeug unkontrolliert herum.

Der Rest der Geschichte muss sich einer zutiefst menschlichen Eigenschaft widmen. Maarten Keulemans: "Mit dem Tode zu drohen ist daher auch eine vielversprechende Methode, um Aufmerksamkeit zu bekommen."

Machtfaktor Angst

So gut wie jede Kultur der Menschheit brachte ihre Untergangspropheten hervor. Wahrsager, diverse Religionsstifter, Sektengründer, Zukunftsforscher, Dichter, Denker, Wissenschafter bemühten sich recht intensiv um eine selbstverständlich gern auch zahlungskräftige Anhängerschaft. Diese kann man mit der Angst vor dem Ende bestens bei der Stange halten. Wenn diverse angekündigte Weltenden einmal nicht eintreten sollten, beruft man sich etwa wie Martin Luther oder Mormonengründer Joseph Smith auf Berechnungsfehler und nimmt das Ende neu in Angriff.

Zum Maya-Kalender ist einen Tag vor dessen Ende wohl alles gesagt - aber noch nicht von allen. Die Fernsehsender werfen gerade zwischen "2012", "The Core", "Terminator" und "The Day After Tomorrow" sämtliche verfügbaren Endzeitfilme auf den Markt. Das Red-Bull-Magazin "2012" machte das ganze Jahr über guten Umsatz. Im Internet balgen sich die Trolle wie eh und je um die schwärzesten Prognosen und Verschwörungstheorien. Selbst George Michaels "Last Christmas" bekommt plötzlich einen bitteren Beigeschmack.

Wir halten es lieber mit Hildegard Knef. Die sang schon vor einem halben Jahrhundert: "Die Welt ging unter am Zürichsee, bei 30 Grad im Schatten." Apokalypse, Erderwärmung. Seither ist es eigentlich nur aufwärtsgegangen. (Christian Schachinger, DER STANDARD, 20.12.2012)