Washington - Dass jeder US-Bürger ein Recht auf eine Waffe hat, egal ob in Dodge City oder Detroit, diese Idee ist relativ neu. Die National Rifle Association (NRA), die Vereinigung der Schusswaffenanhänger, beruft sich dabei stets auf das Second Amendment, den zweiten Zusatzartikel zur amerikanischen Verfassung. Der besteht aus einem einzigen Satz: "Da eine wohlorganisierte Miliz für die Sicherheit eines freien Staates notwendig ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden".

1791, als der Passus zu Papier gebracht wurde, gab es in den USA noch kein gut geordnetes Militär. Die Landesverteidigung war maßgeblich Sache der Milizionäre. Dennoch stritten Waffenbefürworter und -gegner lange über die richtige Auslegung des Satzes.

1982 gab Orrin Hatch, ein republikanischer Senator aus Utah, im parlamentarischen Unterausschuss für Verfassungsfragen eine Studie in Auftrag, die klären sollte, wie der Passus genau gemeint war. Das Komitee, hieß es, habe zutage gefördert, was lange verloren schien: Beweise, wonach die Verfasser des Second Amendment Waffenbesitz verstanden haben wollten als "individuelles Recht des amerikanischen Bürgers, um sich, seine Familie und seine Freiheiten zu schützen".

Es war die Zeit, als die Konservativen zur Reagan-Revolution bliesen, angeführt von einem Präsidenten, der als Erster überhaupt von der NRA zur Wahl empfohlen worden war. David Keene, heute der Chef der NRA, managte 1980 Reagans Wahlkampagne in den Südstaaten. Harlon Carter, einer seiner Vorgänger, formulierte viele der Slogans, mit denen die NRA ihren Einfluss an den Wahlurnen geltend machen wollte. "Trau keinem Politiker, der dir nicht zutraut, eine Waffe zu besitzen."

Derart politisiert ist die NRA erst seit rund vier Dekaden. Nachdem sie 1871 in New York gegründet worden war, von einem Anwalt und einem Journalisten, verstand sie sich lange als eine Art Schützenverein, der Jäger, Sportschützen und Sammler beriet. Erst 1968, als der Kongress mit dem Gun Control Act den Verkauf von Feuerwaffen einschränkte, wandelte sie sich zu einer lauten Verfechterin des Prinzips "Freie Waffen für freie Bürger". (fh/DER STANDARD, 20.12.2012)