"Die Politik hat das Wohnen Schritt für Schritt dem Markt überlassen, nun ist es Zeit für eine Kurskorrektur." Mit dieser markigen Ansage machte Karl Wurm, Obmann des Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen (gbv), am Donnerstag seinem Ärger Luft. Dieser resultiert vor allem aus zwei Vorfällen der jüngsten Vergangenheit, nämlich der Debatte um einen Sieben-Euro-Mietpreisdeckel und dem Salzburger Spekulationsskandal.
Die Sieben-Euro-Grenze ist für Wurm einerseits schwer unnötig, weil der gbv-Obmann den privaten Investoren auf dem freien Wohnungsmarkt ihre Rendite durchaus gönnt. Der Spekulationsskandal mit Wohnbaugeldern in Salzburg ist für ihn andererseits Höhe- beziehungsweise Tiefpunkt einer Entwicklung, die er schwer verurteilt: "Die Wohnpolitik hat die Verantwortung delegiert. Die wirklichen Machtträger wurden mehr und mehr die Finanzlandesräte, und denen galten langfristige Rückflüsse aus Darlehen als 'fantasielos'." Da sei dann "der Sprung zur Spekulation nicht weit" gewesen.
"Dauerhaft niedrige Mieten"
Nun müsse es wieder zu einer "nachhaltigen" Förderung des Wohnbaus kommen mit entsprechendem "Public Value". Wurm forderte am Donnerstag konkret, dass nur noch jene Bauträger mit öffentlichen Geldern gefördert werden sollen, "die langfristig leistbares Wohnen zur Verfügung stellen - und zwar auch nach Ablauf beziehungsweise Rückzahlung der öffentlichen Förderung". Bei den gemeinnützigen Bauträgern sei das der Fall, "unsere Mieten sind dauerhaft, auch über die Förderperiode hinaus, an den niedrigsten Richtwert, jenen des Burgenlands, gebunden", so Wurm.
Wird ein privater Wohnbau öffentlich gefördert, ist das ein wenig anders. Der gbv-Obmann verwies auf ein jüngst von ihm entdecktes Inserat, in dem ein privater Bauträger eine 54 Quadratmeter große Wohnung im 3. Wiener Bezirk zunächst um 416 Euro pro Monat anbot. "Im Inserat steht dann gleich dabei, dass die Miete ab 2014, nach Auslaufen der Wohnbauförderung, auf fast das Doppelte, nämlich 795 Euro, ansteigt." Das sei zwar das gute Recht privater Investoren, aber eine nachhaltige Verwendung öffentlicher Gelder im Sinne eines öffentlichen Mehrwerts sei das nicht. Wäre die betreffende Wohnung von Gemeinnützigen errichtet worden, "würde die Miete dauerhaft nur 297 Euro im Monat ausmachen", versicherte Wurm.
Jene gemeinnützigen Wohnungen, bei denen die öffentliche Förderung bereits ausgelaufen ist beziehungsweise zurückgezahlt wurde, kommen laut den Angaben vom Donnerstag derzeit auf eine Miete von höchstens 3,29 Euro pro Quadratmeter. Generell lägen die Wiedervermietungsmieten der Gemeinnützigen bei 5,1 Euro pro Quadratmeter und damit 25 Prozent unter dem Niveau des freien Markts.
Jährlich fehlen 7.000 geförderte Wohnungen
Mit 556.000 Wohnungen verwalten die Gemeinnützigen etwa 40 Prozent des österreichischen Mietwohnungsbestands, derzeit sind sie für rund ein Drittel der jährlichen Neubauleistung in diesem Segment verantwortlich. Das war schon einmal mehr, denn einerseits sanken zuletzt die Wohnbaufördermittel signifikant (allein durch die Nichtvalorisierung seit den 90er Jahren gingen laut Wurm 450 Millionen Euro verloren), andererseits wurden wegen der steigenden Mieten im freien Markt mehr frei finanzierte Mietwohnungen errichtet.
Von 2009 bis 2011 seien jedes Jahr rund 7.000 Wohneinheiten zu wenig gebaut worden, diesen Mangel müsse man vorrangig beheben, sagte gbv-Wohnbauexpertin Eva Bauer am Donnerstag. Grundsätzlich gehen die Gemeinnützigen von einem jährlichen Bedarf von etwa 48.000 Neubauwohnungen aus.
Dietmar Rößl vom Forschungsinstitut für Kooperationen und Genossenschaften an der WU Wien hob auf der Pressekonferenz die in aller Regel unbefristet abgeschlossenen Mietverträge der gemeinnützigen Bauträger als Asset hervor; darin spiegle sich das langfristige Interesse "im Gegensatz zum kurzfristigen Interesse eines kapitalorientierten Eigentümers" wider. Die österreichischen Gemeinnützigen hätten zudem in der Bevölkerung ein ausgezeichnetes Standing, das habe eine Umfrage anlässlich des heurigen UN-Jahres der Genossenschaften ergeben. (Martin Putschögl, derStandard.at, 20.12.2012)