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"from my cold dead hands" - Der ehemalige und 2008 verstorbene NRA-Präsident Charlton Heston im Mai 2000.

Foto: AP Photo/Ric Feld

Nach dem tragischen Amoklauf an einer US-Volksschule in Newtown, machten die britische Boulevardpresse und Vertreter der US-Waffenlobby abermals "Killerspiele" mitverantwortlich. Bezugnehmend auf die Berichterstattung verfasste GameStandard-Leserin Sonja Einböck einen Kommentar, der die Argumente der Gewaltspielgegner in Frage stellt.

Bezugnehmend auf den Artikel vom 19.12.2012:

Von mir gibts es sogar mehrere solche Kinderfotos mit unterschiedlichen Plastikpistolen, -maschinengewehren etc. Ich spielte früher auch viel "Doom", "Doom 2", "Duke Nukem", "Unreal Tournament", "Counter Strike" etc. – also die ganz bösen Spiele. Ich hatte auch einige Leute in meiner Kindheit und Jugend die mich "sekierten". Also laut Medien durchaus triftige Gründe Amok zu laufen.

Warum ich nicht Amok gelaufen bin? Vielleicht zunächst weil Verzweiflung oder Angst nicht gleich Aggression und Aggression nicht gleich Gewalt (und Gewalt auch nicht gleich Gewalt) ist. Bei jedem Menschen bauen sich Aggressionen durch andere Dinge auf und ab – bestes Beispiel Musik: Der eine kann bei Jazz entspannen und abschalten, der andere kommt bei Death Metal zur Ruhe. (Mich macht beides in der Regel aggressiv. Ob und wie sich Aggressionen dann zeigen, d.h. in Handlung transferiert werden, ist ebenso individuell und daher unvorhersagbar.

"Ein Computerspiel ist nicht dazu fähig einen Menschen dazu zu bringen Gewalt auszuüben"

Und damit wäre ich auch schon bei der Transferforschung die besagt: Ein Computerspiel kann dir Wissen und Handlungskonzepte über Waffen (bzw. über alles) vermitteln – wie sie heißen, dass man (und wann man) sie laden muss, welche für welche Entfernung geeignet sind etc. – aber ein Computerspiel ist nicht dazu fähig einen Menschen durch Simulation dazu zu bringen Gewalt auszuüben bzw. eine echte Waffe abzufeuern. (Wäre dem so, wären die 80er mit den ersten Ballerspielen eine blutige Dekade geworden.) Ein Mausklick oder Knopfbetätigen ist etwas ganz anderes, als einen Abzug einer Schusswaffe zu betätigen.

Damit es zu der realen Umsetzung einer virtuell sozusagen "erlernten" Handlung wie Schießen kommt, muss der Betroffene Situation und Handlung auf ihre situative Passung überprüfen und letzten Endes körperlich und geistig auch zur Ausführung dieser Handlung fähig sein. (Das nennt man Rahmungskompetenz). Davor muss das Handlungskonzept den Transfer in die reale Welt erstmal schaffen – "Serious Games"-Forscher beißen sich daran im gewünschten Verhaltensänderungskontext (wie verantwortliches Gesundheitsverhalten) noch immer die Zähne aus. Und mit diesen wissenschaftlichen Konzepten bzw. der Transferforschung wird jegliches Beschuldigen von Computerspielen (oder auch generell Medieninhalten), sie seien verantwortlich für Gewalt, lächerlich.

"Die Psyche von Amokläufern zeigt üblicherweise soziale Vernachlässigung"

Schuld am Betätigen einer Waffe, an Amokläufen, ist der Mensch selbst, der wiederum von seinem sozialen Umfeld beeinflusst wird. Ein Blick in die Psyche von Amokläufern zeigt üblicherweise soziale Vernachlässigung und/oder eine psychische Störung. Vielleicht sollte man eher hier nach dem Ursprung des sprichwörtlichen Übels suchen. Auch wenn man dies zweideutig auffassen kann, sind Amokläufer bzw. Gewaltausüber oft auch selbst Opfer und bräuchten Hilfe. Dass besonders psychisch labile Menschen sich in virtuelle Welten flüchten, wo es keine realen Konsequenzen gibt ("psychosocial moratorium") und sie vielleicht geschätzt werden und Aufmerksamkeit erhalten, ist meines Erachtens nachvollziehbar – v.a. da jeder Mensch der sich in eine Geschichte hineinversetzt (Buch, Film, Game, ja sogar Tagtraum) diese eigentlich für unseren Verstand gesunde und natürliche Realitätsflucht betreibt. Daher die Korrelation Amokläufer und virtueller Eskapismus bzw. Spielen von Games.

Es ist es meiner Meinung nach wichtig, bei allen Risikofaktoren der Gewaltausübung anzusetzen; d.h. im Spezialfall des Amoklaufs den Zugang zu Schusswaffen (und noch schlimmeren Waffen) zu erschweren bzw. zu verbieten. Damit wäre sozusagen die Krankheit nicht geheilt, aber zumindest in ihrer Verbreitung bzw. dem Schweregrad eingedämmt. Dass hier, wie auch in der Pharmaindustrie, mächtige wirtschaftliche Player entgegenwirken, ist ein (heilbares?) Übel der jetzigen kapitalistischen Gesellschaft. (Sonja Einböck, FH Salzburg, 24.12.2012)