Er war Polizist und Gendarm. Jetzt steht Konrad Kogler als Sicherheitsgeneraldirektor an der Spitze der Exekutive.

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STANDARD: Was sind die großen sicherheitspolizeilichen Herausforderungen der kommenden Jahre?

Kogler: Im gesellschaftlichen Kontext sind das drei zentrale Herausforderungen: Zum einen die demografische Entwicklung. Wir haben es mit einer Bevölkerung zu tun, deren Anteil älterer Menschen größer wird, und darauf muss die Polizei reagieren. Beispiel sind die Bankanschlussdelikte, bei denen eben vor allem ältere Menschen nach dem Beheben von Geld auf der Straße überfallen werden.

Der zweite große Themenbereich ist die virtuelle Welt. Die Frage ist, wie wir künftig Identitäten im Netz schützen können. Dritter Themenkomplex ist die zunehmende Mobilität, die dazu führt, dass unterschiedlichste kulturelle Gesellschaften aufeinandertreffen. Die Polizei muss also eine interkulturelle Kompetenz aufbauen, um für alle Menschen, egal wo sie herkomen, Ansprechpartner zu sein. Das stellt auch neue sprachliche Anforderungen.

STANDARD: Das heißt, Sie hätten gerne mehr Polizisten mit unterschiedlichen Muttersprachen?

Kogler: So ist es. Es ist wichtig, Menschen mit Migrationshintergrund in die Polizei zu holen, um interkulturelle Kompetenz aufzubauen. Es gibt Bürger, in deren Herkunftsstaaten das Vertrauen in die Polizei nicht so hoch ist wie in Österreich. Wir wollen nicht, dass diese Bevölkerungsgruppen Parallelgesellschaften aufbauen, in denen Probleme nur innerhalb der Comunity gelöst werden.

STANDARD: In Wien gibt es derzeit ein massives Problem mit Überfällen auf Juweliere. Warum bekommt die Polizei das nicht in den Griff?

Kogler: Wir sind auf unterschiedlichen Ebenen tätig. Neben der Tatortarbeit muss der Täterbereich genau analysiert werden, um Gegenmaßnahmen zu treffen. Und wir sind dabei, ein entsprechendes Bewusstsein bei der betroffenen Berufsgruppe zu erzeugen. Sowohl im präventiven Bereich als auch bei der Ausstattung mit Überwachungsmaßnahmen. Brauchbare Bilder sind bei Ermittlungen eine wesentliche Hilfe.

STANDARD: Der Generaldirektion sind Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt und Cobra unterstellt. Planen Sie Veränderungen?

Kogler: Grundsätzlich wird es vor allem im Bundesamt für Verfassungsschutz, aber auch im Bundeskriminalamt ganz bewusste Akzente im Kampf gegen Cybercrime geben. Dabei geht es insbesondere um den Schutz kritischer Infrastruktur sowie um Netzwerkermittlungen.

STANDARD: Die Polizei fordert die Vorratsdatenspeicherung, der Verfassungsgerichtshof hingegen ist äußerst skeptisch und will die geplante Regelung vom Europäischen Gerichtshof abklären lassen. Versinken wir ohne Vorratsdaten im Sumpf der Kriminalität?

Kogler: Wir müssen das Ergebnis des laufenden Verfahrens abwarten. Aber Österreich ist grundsätzlich kein Ort, wo die Menschen Angst haben müssen. Umfragen zeigen, dass das Sicherheitsgefühl auch im Vergleich zu anderen Ländern sehr hoch ist.

STANDARD: Zur Sicherheit gehört auch das Bundesheer. Sind Sie für oder gegen die Wehrpflicht?

Kogler: Als Beamter bringe ich mich nicht in die politische Diskussion ein. Aber als Generaldirektor muss ich mich mit bestimmten Szenarien auseinadersetzen. Und da ist klipp und klar zu sagen, dass, wenn wir etwa bei einem Katastroheneinsatz über einen längeren Zeitraum viele Hilfskräfte benötigen, die Assistenzleistung des Bundesheeres unbedingt notwendig ist.

Während meiner Zeit als stellvertretender Landespolizeikommandant im Burgenland hatten wir bis zu 2200 Soldaten zur Grenzlandüberwachung - und das nur für einen Teil der Staatsgrenze. Laut Schengener Grenzcodex können Grenzkontrollen vorübergehend wieder eingeführt werden. Dann wäre es notwendig, ad hoc viele Rekruten zur Verfügung zu haben.

STANDARD: Ein Appell also, für eine größere Reserve zu sorgen.

Kogler: Auch um den Anschluss an die Zivilgesellschaft zu halten, weil es in der momentanen Reserve auch zahlreiche Menschen gibt, deren berufliche Qualifikationen in bestimmten Notfällen wichtig sein können.

STANDARD: Sie betonen oft, wie wichtig Menschenrechte in der Polizeiarbeit sind. Gibt es in diesem Zusammenhang Nachholbedarf.

Kogler: Ich glaube, dass die Achtung der Menschenrechte in der Polizei sehr gut verankert ist. Es gilt aber auch, Menschenreche zu gewährleisten. Das heißt, wir sind auch für deren Durchsetzung verantwortlich. Dieser neue Zugang findet sowohl in der Ausbildung als auch organisatorisch bis in die Chefetagen Niederschlag.

STANDARD: Es ist aber offenbar schwierig, Beamte, die Menschenrechte buchstäblich mit Füßen treten, loszuwerden.

Kogler: Wir vertreten das Recht, aber bei Millionen von Amtshandlungen pro Jahr gibt es leider auch immer wieder Fehlverhalten. Aber ich denke, dass wir konsequent dagegen auftreten. Die strafrechtliche Komponente kann nur ein unabhängiges Gericht bewerten. Das neue Disziplinarrecht erleichtert es, uns von verurteilten Personen zu trennen. (Michael Simoner, DER STANDARD, 22./23.12.2012)