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25 Millionen Wähler können heute ihre Meinung zur neuen Verfassung kundtun.

Foto: AP/Nabil

Chaotische Zustände und Verstöße gegen das Wahlrecht haben auch die zweite und letzte Runde des ägyptischen Verfassungsreferendums überschattet. Viele Wähler seien auch diesmal wieder von Islamisten beeinflusst worden, berichteten Beobachter und ägyptische Medien. Zudem sollen Liberale, Linke und Christen in manchen Gebieten an der Stimmabgabe gehindert worden sein.

Zur Wahlbeteiligung gab es widersprüchliche Berichte: Während lange Warteschlangen vor allem in ägyptischen Städten zu sehen waren, berichteten Beobachter von einer geringen Beteiligung in ländlichen Gebieten. 

Tief gespaltenes Ägypten

Der Streit um das von Muslimbrüdern und Salafisten erarbeitete Regelwerk hat Ägypten tief gespalten. Die Opposition sieht darin den ersten Schritt in Richtung Gottesstaat. Viele Anhänger von Präsident Mohammed Mursi wünschen sich genau dies. Der Machtkampf um die erste Verfassung nach dem Sturz des Langzeitpräsidenten Hosni Mubarak hat in dem bevölkerungsreichsten arabischen Land immer wieder Massenproteste und tödliche Krawalle ausgelöst.

In 10 der 27 ägyptischen Provinzen war bereits vor einer Woche abgestimmt worden. Bis 23.00 Uhr Ortszeit (22.00 Uhr MEZ) waren die rund 25 Millionen Wähler in den restlichen Provinzen an der Reihe. Nach inoffiziellen Ergebnissen stimmten in der ersten Runde 56 Prozent für die Verfassung, bei einer Wahlbeteiligung von rund 30 Prozent. Die Opposition beklagte später, die Muslimbrüder hätten Wahlzettel gefälscht und Wähler bedrängt.

Offizielle Ergebnisse am Montag

Offizielle Ergebnisse werden voraussichtlich erst am Montag bekanntgegeben. Die Annahme des Verfassungsentwurfs gilt als wahrscheinlich. Denn in der zweiten Runde werden mehr Ja-Stimmen als beim Auftakt erwartet, da vor allem in konservativen ländlichen Provinzen gewählt wurde. Wird die Verfassung gebilligt, muss innerhalb von zwei Monaten ein neues Parlament gewählt werden.

Auch in der zweiten Runde des Referendums meldeten Oppositionelle zahlreiche Wahlrechtsverstöße und Zwischenfälle: Die revolutionäre Jugendbewegung 6. April, die eigene Beobachter in verschiedene Städte entsandt hatte, beklagte, dass fünf ihrer Mitglieder festgenommen worden seien. In Giseh auf der anderen Nilseite von Kairo seien Aktivisten abgeführt worden, weil sie die vorzeitige Schließung eines Wahllokals angeprangert hätten. Die Gruppe kritisierte, dass in mehreren Regionen Islamisten die Wähler genötigt hätten, mit Ja zu stimmen. In der nördlichen Stadt Damietta sei dafür sogar Geld geboten worden.

Richter soll Wahlhelfer entlassen haben

Die ägyptische Zeitung "Al-Ahram" berichtete von ähnlichen Vorfällen. So habe in der Provinz Menufija ein Richter seine Wahlhelfer entlassen, weil diese versucht hätten, Wähler zum Ja zu überreden. Rund 30 Prozent der Ägypter sind Analphabeten, die bei der Abstimmung auf Hilfe angewiesen sind. In einigen Wahllokalen sei die Stimmabgabe extrem verzögert worden, da nicht genügend Richter anwesend waren. Zahlreiche Juristen hatten sich aus Protest gegen Mursi geweigert, die Abstimmung zu überwachen. (APA, 22.12.2012)