Hamburg - Der in London lebende Historiker Eric J. Hobsbawm, einer der letzten Universalgelehrten der Gegenwart, hat die Außenpolitik der amerikanischen Regierung scharf kritisiert. Die Bush-Administration zeige alle "Zeichen von Größenwahn" und ignoriere die alten Erfahrungen der Diplomatie einfach, erklärte Hobsbawm in einem im Voraus verbreiteten Gespräch in der neuen Ausgabe der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit".

Bush wolle Europa spalten

George W. Bush, so Hobsbawm, wolle Europa spalten und seine Errungenschaften in Frage stellen. "Viele glauben, das amerikanische Weltreich sei für das Gute, und nur fürs Gute. Dabei ist das, was die Amerikaner unter Menschenrechten verstehen, nicht immer das, was andere darunter verstehen", sagte Hobsbawm in der "Zeit".

Seine Erklärung für den Irak-Krieg

Amerika habe den Irak unter Bruch des Völkerrechts nicht deshalb angegriffen, weil dort die Menschenrechtssituation unerträglich gewesen sei. "Sie haben den Irak angegriffen, weil sie ihn vor zehn Jahren besiegt hatten und die Leute sich weigerten, die Niederlage ernst zu nehmen." Verständnis äußerte Hobsbawm für die Haltung osteuropäischer Intellektueller. Sie seien, wie andere auch, von der europäischen Politik während des Balkankrieges enttäuscht worden.

"Wer das glaubt, muss auch daran glauben

"Diese Enttäuschungen haben es für viele leichter gemacht zu sagen: Die Einzigen, die intervenieren können, sind die Amerikaner. Allerdings, wer das glaubt, der muss auch daran glauben, dass die Durchsetzung von Menschenrechten im genuinen amerikanischen Interesse liegt. Die Durchsetzung von Menschenrechten liegt, aber nicht im amerikanischen Interesse. Das Interesse der Amerikaner ist Amerika."(APA/dpa)