In den vergangenen Jahren haben einige Musiker das Wienerlied neu belebt - und damit vor dem Absturz in Kitschregionen bewahrt. Zwischen den Polen Tradition und Umbruch bewegen sich auch die drei Hauptstadt-Combos, die als "1. Wiena WödWundaTütn!" den Weg ins westlichste Bundesland nicht scheuen. Schon der Vorreiter dieser Neuen Wienerliedwelle, Roland Neuwirth mit seinen diversen (Extrem)Schrammeln, wäre gern in Chicago geboren worden - schließlich genossen Blues und Jazz in den 1970ern unter Popenthusiasten einen besseren Ruf als rührselig-chauvinistische Trenzerei.
Könner wie Neuwirth schafften es freilich, eine Verbindung zwischen den zwei Welten herzustellen, was man vom ersten Weltwundertütengast, dem Quintett 5/8erl in Ehr'n, auch sagen kann. Die Sänger Max Gaier und Bobby Slivovsky, Gitarrist Miki Liebermann, Quetschn-Spieler und Wurlitzer-Elektropianist Clemens Wenger sowie Kontrabassist Hanibal Scheutz bauen ihre Wienerliedinterpretationen auf ein erdiges Soul-Verständnis, das neben Chicago auch Memphis, Detroit, L. A. oder die Südstaaten im Wiener Kosmos integriert. Beim Heurigen werden ein paar Glaserl auf Heller/Qualtinger, Sowinetz und Bilik gezwitschert, im Soulschuppen etliche auf Stevie Wonder, das Fluchtachterl auf Alexander im Weißen Rössl.
Live-Präsentation des aktuellen Albums Gut genug für die City - das sind auch Klemens Lendl (Geige, Gesang) und David Müller (Gitarre, Gesang), die unter ihrem Bandnamen Die Strottern ebenfalls aus der Wundertüte hüpfen werden. Der Altwiener Ausdruck "Strotter" bedeutet entweder "Gauner, Landstreicher, Strauchdieb" oder auch: "Die nach Verwertbarem suchen". Zu finden ist dies in altem Liedgut mit zeitgenössischer Pop- und Jazz-Aufbereitung. Zur Dialektik des Dialekts kommt noch die zwischen Bewahren und Erneuern.
Nicht viel anders rennt der Schmäh bei der dritten Partie des Abends: Vincenz Wizlsperger (Gesang, Kamm, Tuba), Paul Skrepek (Gesang, Gitarre, Schlagzeug) und Heinz Ditsch (Gesang, Akkordeon) sind das Kollegium Kalksburg, schon seit 1996 schreibt und singt man Skurril-Groteskes über das Saufen, Sterbn und Selbstmitleid. Aus Yesterday von den Beatles wird bei den Kalksburgern schon mal ein Blosntee. Hören und schauen Sie sich das an! (dog, DER STANDARD, 29./30.12.2012)