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In Wien sind 43.000 Minderjährige in der Mindestsicherung erfasst.

Foto: dpa-Zentralbild/Jens Kalaene

Wien - Die Zahl der Wiener, die auf Unterstützung der Stadt angewiesen sind, steigt weiter. Exakt 129.020 Menschen haben 2011 eine Sozialleistung aus der bedarfsorientierten Mindestsicherung bezogen. Zum Vergleich: Im Jahr davor waren es knapp 107.000 Personen. Für 2012 gibt es noch keine Daten.

Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) sah angesichts der Zahlen, die im aktuellen und am Freitag präsentierten Wiener Sozialbericht zu finden sind, den politischen Handlungsauftrag, noch mehr den Bereich (Aus-)Bildung zu fokussieren. Denn zwei Drittel der Mindestsicherungsbezieher hätten höchstens einen Pflichtschulabschluss.

Ergänzungsleistungen stark gestiegen

Knapp 10 Prozent der Hilfsempfänger (12.313) erhielten 2011 die Bedarfsorientierte Mindestsicherung in vollem Umfang. Damit ist dieser Wert erstmals seit Jahren rückläufig, nämlich um 14 Prozent gegenüber 2010.

Stark gestiegen, nämlich um 20.000 auf nunmehr 92.660 Bezieher, ist hingegen der Anteil der sogenannten Ergänzungsleistungen. Diese machten fast drei Viertel der vergebenen Bezüge aus und stehen vor allem jenen Menschen zu, die durch vorausgegangene prekäre oder Teilzeitbeschäftigungen nur wenig Arbeitslosengeld bekommen. Der Rest entfiel etwa auf arbeitsunfähige Dauerleistungsbezieher oder Pensionisten mit Mietbeihilfe.

Peter Stanzl, der die Sozialplanung im Rathaus leitet, versicherte in einer Pressekonferenz, dass sich die Bezieherstruktur generell kaum verändert habe. Besonderheiten gebe es aber doch - positive wie negative: So sei das 14-prozentige Minus beim Vollbezug ein "Erfolg" und auf erfolgreiche Re-Integration der Betroffenen in den Arbeitsmarkt zurückzuführen.

43.000 Minderjährige in Mindestsicherung erfasst

Andererseits gab es ein Plus von 10 Prozent auf nunmehr 43.000 Minderjährige, die in der Mindestsicherung erfasst sind. Das liege einerseits daran, dass Rot-Grün die Kinder-Mindestsicherung ausgebaut habe. Andererseits erhalten beispielsweise rund ein Fünftel aller Alleinerzieher mit einem Kind Sozialleistungen. Unter solchen mit drei oder mehr Sprösslingen sind es gar 40 Prozent. Das zeige, dass diese Gruppe wenig Chancen am Arbeitsmarkt habe.

Wehsely betonte, dass sie dazu stehe, dass jene Menschen, die Hilfe benötigen, diese auch bekommen sollen. Wenn andere Bundesländer sich rühmten, einen Rückgang bei den Bezügen zu verzeichnen, liege das nicht an der dort besseren sozialen Situation. 

Hürden beim Zugang

Oft steckten Hürden beim Zugang dahinter: "Wien hingegen betreibt viel Aufwand, damit die Leute ihre Ansprüche auch erhalten", verwies sie auf die hohe "Take-up-Rate". Diese sagt aus, wie viele der theoretisch berechtigten Personen ihre Leistungen auch tatsächlich in Anspruch nehmen. In Wien liege dieser Wert bei etwa 70 Prozent, in Niederösterreich nur bei 19 Prozent. Der Rest auf 100 erkläre sich in der Bundeshauptstadt dadurch, dass Personen, die nur ganz geringe Leistungen im Wert weniger Euro erhalten würden, lieber auf diese verzichten als einen Antrag stellen würden, versicherte Wehsely.

Daten über Vermögensverteilung in Wien

Erstmals umfasst der Wiener Sozialbericht auch Daten über die Vermögensverteilung in der Bundeshauptstadt. Die Zahlen sind dabei durchaus erstaunlich: So teilen sich die obersten 30 Prozent der Haushalte fast 92 Prozent des Nettovermögens. Oder anders formuliert: Mehr als zwei Drittel der Wiener verfügen gemeinsam nur über acht Prozent des Nettovermögens - wobei rund 40 Prozent der Haushalte so gut wie gar kein Vermögen besitzen.

Nimmt man nur die Top-10-Haushalte, bleiben diesen immer noch knapp zwei Drittel des Nettovermögens. Differenzierter betrachtet zeigt sich, dass die Schere vor allem bei den Sachwerten sehr groß ist. Hier verfügen 30 Prozent über 96 Prozent, während es beim Finanzvermögen etwas geringere 88 Prozent sind.

Ungleichheit noch größer als in Rest-Österreich

Die Daten geben auch Auskunft darüber, dass Geld- und Sachbesitz in Wien noch etwas ungleicher verteilt sind als in Rest-Österreich, erklärte der Leiter der Sozialplanung in der Magistratsabteilung 24, Peter Stanzl, in einer Pressekonferenz. Dort entfallen auf die Top-30-Prozent "nur" 87 Prozent des Nettovermögens. Als einen Grund dafür nannte Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) den Großstadtfaktor: "Wien ist die einzige wirkliche Stadt in Österreich. Leute, die Vermögen haben, werden dieses nicht in 'Kikerikspatschen' anlegen", analysierte sie.

Mehr als die Hälfte sind Single-Haushalte

Der Unterschied zwischen Wien und Ländern liegt aber etwa auch in der Haushaltsgröße. In der Bundeshauptstadt besteht mehr als die Hälfte der Haushalte aus nur einer Person, im übrigen Österreich sind das nur 35 Prozent. Das habe starke Auswirkungen auf die Vermögensverteilung, hieß es.

Wehsely betonte, dass die teils schwer zu bekommenden Daten zeigten, wie unbeleuchtet die wesentliche Frage der Verteilung sei. Die Ressortchefin plädierte einmal mehr für Erbschafts- und Vermögenssteuern. Denn wenn man bei Sozialleistungsempfängern auf den Cent genau streng kontrolliere, müssten gleichzeitig jene Personen etwas zum Sozialstaat beitragen, die dies könnten und ebenfalls davon - nämlich etwa in Form des sozialen Friedens - profitierten. (APA, 28.12.2012)