Wien - Seit dem Auffliegen der Salzburger Spekulationsverluste wird über weitere Investmentlöcher in den Länderbilanzen gerätselt. Niederösterreich wird dabei immer an erster Stelle genannt. Doch bisher endeten die Spekulationen meist bei der Veranlagung von verkauften Wohnbaudarlehen, die - je nach Lesart - eine Milliarde unter Wasser oder 800 Millionen Euro im Plus ist. Wenig ist über das direkte Schuldenmanagement bekannt.

Dabei trägt Niederösterreich mit einer Verschuldung von 7,3 Milliarden Euro unter den Bundesländern in Sachen Finanzstabilität die rote Laterne. Bekannt ist auch, dass von St. Pölten aus ein üppiges Derivate-Portfolio gesteuert wird, das bei weitem nicht nur der Absicherung von Zinsen dient. Trotz der jüngsten Vorkommnisse bleibt das Finanzmanagement eine Black Box. DER STANDARD hat aus gut informierten Bankkreisen erfahren, dass Niederösterreich mit spekulativen Währungsoptionen versucht, Zusatzerträge zu erwirtschaften. Im Bestand befanden oder befinden sich demnach u. a. Währungstauschverträge Euro-Isländische Krone und Euro-Franken.

Großes Geheimnis

Zwar verschuldete sich das Land in den letzten Jahren fast ausschließlich in Euro, doch wurde über die genannten Optionen rund ein Drittel der Verbindlichkeiten in Fremdwährung umgewandelt. Wie sich diese Transaktionen auswirkten, wird vom zuständigen Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka nicht beantwortet. Auch den Marktwert des Portfolios behält das Land für sich. Nur so viel gibt Sobotka preis: Die Island-Swaps seien schon vor längerer Zeit abgestoßen worden. Wie hoch die Verluste dabei waren, bleibt ein Geheimnis.

Riskanter sind aber ohnehin die Franken-Papiere. Durch die Aufwertung der Schweizer Währung wurde der angepeilte Zinsvorteil mehr als überkompensiert. Allein ein dokumentierter Franken-Swap mit Nominale von 50 Millionen Euro verzeichnete bei Fälligkeit im Vorjahr einen negativen Marktwert von sechs Millionen.

Sobotkas Sprecher verweist auf einen Rechnungshofbericht aus 2010, wonach das Land keine Spekulationsgeschäfte tätige. Tatsächlich heißt es darin: "Die Derivategeschäfte hatten überwiegend keinen Bezug zu einem Grundgeschäft und wurden nicht zu Absicherungszwecken abgeschlossen." Das Volumen der spekulativen "Optimierungen" wird vom Rechnungshof mit 1,287 Milliarden Euro angegeben. Zum Vergleich: Das Land Salzburg hat unter diesem Titel 884 Millionen Euro im Feuer. Da in St. Pölten die Zinsbelastung nicht annähernd so deutlich gesenkt werden konnte wie in Salzburg, gehen Marktkenner davon aus, dass die Hebelwirkung der niederösterreichischen Geschäfte geringer ist.

Insider berichten, dass die Spekulationen federführend von der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien, der landeseigenen Hypo und der Bank Austria abgewickelt wurden. Dabei gibt es auch interessante personelle Verflechtungen. Als Verbindungsglied fungiert Heinz Hofstätter bzw. seine Unternehmensberatung Areta. Hofstätter war früher bei der Hypo und bei der ebenfalls landeseigenen Fibeg tätig und leitete das ominöse Investment-Vehikel Aurelius.

Kleine Überraschung

Hier schließt sich der Kreis zum Land: Über die Fibeg wurden verkaufte Wohnbaudarlehen zum Teil spekulativ veranlagt. Der Blue Danube Fund, ein weiteres Investment-Instrument, wurde ebenfalls von Hofstätter geführt. Und: Der Ex-Banker leitete auch die landeseigene Finanz- und Beteiligungsmanagement GmbH, Eigentümerin der Hypo. Diese Zwischenholding verfügt laut STANDARD-Informationen ebenfalls über ein ansehnliches Derivate-Portfolio. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, 29./30.12.2012)