Andreas Mailath-Pokorny sucht ab dem Sommer 2013 per Ausschreibung eine neue Leitung fürs Wien Museum: "Der Vertrag von Kos wird zwar noch einmal verlängert, aber nur um die Hälfte einer Periode, also bis Mitte 2015."

Foto: STANDARD / Robert Newald

STANDARD: Wollten Sie nicht bis Jahresende eine Entscheidung zwischen dem Karlsplatz und dem Hauptbahnhof, also den zwei möglichen Standorten für das Wien-Museum, fällen?

Mailath: Gesetzte Zeitpunkte sind mir zwar wichtig. Es geht aber auch darum, das Richtige zu tun - und nicht das Schnelle. Zunächst gab es die Problematik des Depots. Das wurde erledigt: 2013 werden über eine Million Objekte von diversen Standorten nach Himberg übersiedelt, wo wir Partner des Kunsthistorischen Museums in einem großen Depot sind.

STANDARD: Die abschließenden Untersuchungen von Querkraft und Kuehn Malvezzi liegen vor?

Mailath: Ja. Ich möchte die Ergebnisse im Jänner den Kultursprechern der Parteien präsentieren, da das Projekt "Wien-Museum neu" mittlerweile eine Initiative aller Parteien ist. Auch die Oppositionsparteien VP und FP arbeiten konstruktiv mit.

STANDARD: Warum das Zögern? Bei einer Enquete im Oktober haben sich zwei Drittel der Experten für den Karlsplatz ausgesprochen.

Mailath: Ja, es gab deutliche Wortmeldungen für den Karlsplatz. Ich bin aber nach wie vor für beide Optionen offen. Der Standort Karlsplatz ist wunderbar ans öffentliche Verkehrsnetz angebunden und mittlerweile auch etabliert. Noch vor ein paar Jahren hat kein Taxler gewusst, wo sich das damalige Historische Museum der Stadt Wien befindet. Also: Ein guter Standort macht nicht notwendigerweise ein viel besuchtes Museum aus. Umgekehrt ist ein schlecht angebundener Standort nicht die Voraussetzung für einen schlechten Besuch. Das beweist z. B. das Technische Museum.

STANDARD: Das ist nicht neu.

Mailath: Die Frage nach der Finanzierung sollte man in Zeiten, in denen die öffentlichen Budgets enger werden, nicht vernachlässigen. Deshalb versuchen wir zu klären, ob es die Möglichkeit der EU-Mitfinanzierung gibt.

STANDARD: Sie sagten, dass das Projekt unter 100 Millionen Euro kosten werde. Ist das nicht zu simpel gedacht? Es geht ja z. B. auch um die Folgekosten.

Mailath: Da es noch nicht einmal einen Entwurf gibt, ist es zu früh, über die konkreten Kosten zu reden. Wir rechnen mit einem Betrag zwischen 50 und 100 Millionen Euro, die über die nächsten 20 oder 30 Jahre verteilt werden sollen. Am Hauptbahnhof haben wir eine Partnerin, die Erste Bank, die daran interessiert ist, das Gelände zu entwickeln. Sie kommt uns bestmöglich entgegen.

STANDARD: Wolfgang Kos spricht sich vehement für den Karlsplatz aus. Wird er das neue Museum als Direktor erleben können?

Mailath: Das Wien-Museum ist - im Gegensatz zu den Bundesmuseen, die höfischen Ursprungs sind - ein zutiefst republikanisches, bürgerliches Museum. Kos hat dies noch gestärkt, indem er Alltagskultur in den Mittelpunkt gestellt hat. Das Wien-Museum ist erst durch Kos zu einem Thema geworden. Das ist eine große Leistung. Ich habe aber mit ihm vereinbart, dass bereits die Planung mit einer zukünftigen Leitung erfolgen muss. Der Vertrag von Kos wird zwar noch einmal verlängert, aber nur um die Hälfte einer Periode, also bis Mitte 2015. Das bedeutet, dass der Posten im Sommer 2013 ausgeschrieben wird.

STANDARD: Auch - oder gerade - das Jüdische Museum ist ein zutiefst republikanisches, bürgerliches Museum. Direktorin Danielle Spera klagt, dass sie kein Geld für die neue Dauerausstellung bekommt.

Mailath: Ich muss präzisieren: kein zusätzliches Geld! Es war klar, dass das Museum mit den vorhandenen Mitteln auskommen muss. Aber wir werden sicherlich eine Lösung finden. Wir konnten das Kulturbudget grundsätzlich gleich halten. In Frankreich, Italien, Deutschland, Spanien und so weiter gab es massive Kürzungen.

STANDARD: Die Stadt Salzburg hat das Kulturbudget für 2013 um 4,4 Prozent angehoben.

Mailath: Ich gratuliere zu diesem Erfolg. Aber generell: In Wien wird die Bedeutung der Kulturfinanzierung nicht angezweifelt.

STANDARD: Das Stadtkino wird mit Ihrem Sanctus ins Künstlerhaus übersiedeln. Das stärkt den "Kunstplatz Karlsplatz" und ist ein Argument für das Wien-Museum an ebendiesem. Heißt das auch, dass die Stadt endlich die Sanierung des Künstlerhauses mitfinanziert?

Mailath: Schritt für Schritt! Nun gibt es die Absicht, das Dach zu sanieren. Wir sind zu Gesprächen bereit. Es muss aber klare Vorstellungen seitens des Künstlerhauses geben.

STANDARD: Beppo Mauhart, der das Künstlerhaus mit der Initiative Wink unterstützt, ist sauer auf Sie, weil seit Jahren nichts weitergeht.

Mailath: Das ist mir nicht verborgen geblieben. Meinem lieben Freund kann ich nur sagen: Wenn ich einen Plan vorgeben würde, würde er vom Künstlerhaus, einem unabhängigen Verein, sofort abgelehnt werden. Aber die Zukunft des Künstlerhauses hängt natürlich auch ein bisschen vom Wien-Museum ab. Wenn dieses am Karlsplatz bleiben sollte, muss man mit einem mehrjährigen Umbau rechnen. Das Künstlerhaus könnte dann ein Zwischenquartier sein.

STANDARD: Wann wird das Deserteursdenkmal auf dem Ballhausplatz errichtet?

Mailath: Kör (Kunst im öffentlichen Raum) wird demnächst einen geladenen Wettbewerb ausschreiben. Ich gehe davon aus, dass wir das Denkmal 2013 seiner Bestimmung übergeben können.

STANDARD: Ich dachte, Sie votierten für das Burgtor als Standort.

Mailath: Ja. Der Heldenplatz bietet sich nachgerade an, das Thema Helden neu zu definieren. Aber das Proponentenkomitee hat sich für den anderen Standort ausgesprochen. Dieser hat den Vorteil, dass er Grund der Stadt Wien ist. Das war schließlich ausschlaggebend. Das Burgtor hingegen ist Bundesgrund. Zudem gibt es Bemühungen, den Heldenplatz autofrei zu machen und eine Tiefgarage zu errichten. Ein Denkmal zu realisieren wäre daher nicht so bald möglich. Das habe ich eingesehen. Dennoch sollte man den Heldenplatz so gestalten, dass man sich nicht Jahr für Jahr mit den rechten Burschenschaften darum streiten muss, wer die Deutungshoheit hat - an so sensiblen Tagen wie dem 27. Jänner und dem 8. Mai.

STANDARD: Anderes Thema: Sie beteuerten immer, den luxuriösen Vertrag von Gerald Matt nicht zu kennen. Der Ex-Direktor der Kunsthalle sagte aber kürzlich im "Presse"-Interview, dass er Ihnen "natürlich" bekannt gewesen sei.

Mailath: Jetzt ist er bekannt. Weil wir aufgrund der Vorwürfe in den vergangenen eineinhalb Jahren recherchiert haben - und daher zu dem Vertrag gekommen sind. Aber das ist vergossene Milch!

STANDARD: Ich habe hier die Kopie eines Briefes von Matt an das Kulturamt: Er hat Ihnen seinen Vertrag bereits im Juni 2002 übermittelt.

Mailath: Trotzdem: Ich persönlich habe den Vertrag nicht gesehen - so wie ich auch die Leitungsverträge anderer Kultureinrichtungen nicht sehe. Ja, man lebte in der Kunsthalle die Philosophie, dass die Politik keinen Einfluss haben soll. Das mag man aus heutiger Sicht verwerflich finden. Wir haben die Kunsthalle daher umstrukturiert. Nun ist Kontrolle möglich. Umgekehrt: Es macht auch Sinn, wenn sich die Politik nicht immer gleich einmischt.

STANDARD: Sie sprechen die Drohung von Klaus Werner-Lobo an? Der Kultursprecher der Grünen meinte, dass es keine Subvention für den Gasometer geben werde, wenn die Hinichen auftreten. Das Konzert wurde dann abgesagt.

Mailath: Unverständlich ist, warum der grüne Kultursprecher die Förderung beschließt und wenig später mit Entzug droht. Ich habe noch nie mit Subventionsentzug gedroht. Drohungen sind Ausdruck von Schwäche. Ich setze auf die Stärke der Argumente. Ein solches Vorgehen ist auch scheinheilig. Wenn am nächsten Tag in der Stadthalle Marilyn Manson auftritt, dessen Texte mindestens so gewalttätig, sexistisch und ausgrenzend sind wie jene von den Hinichen, dann droht auch niemand. Der Gemeinderat hat eine Resolution verabschiedet, dass es in Wien keine Zensur geben soll. Es ist erstaunlich, dass eine solche im Jahr 2012 noch notwendig ist.

STANDARD: Was steht 2013 an?

Mailath: Wir beginnen eine Cultural Digital Strategy zu erarbeiten. Weil wir erkannt haben, dass der digitale Fußabdruck der Wiener Kultureinrichtungen international ein kleiner ist. Das ist auch ein echt sozialdemokratisches Thema: Wie vermittle ich Inhalte - etwa von Opern - einem viel größeren Publikum als jenen, die ins Theater an der Wien gehen? Wir können uns nicht mehr damit zufriedengeben, dass wir eine physische Auslastung von 80 oder 98 Prozent haben. Die Sydney Opera und die Met erreichen mit ihren Angeboten bereits ein Millionenpublikum und lukrieren damit Einnahmen. Da sind wir ein wenig ins Hintertreffen geraten.

 

(Thomas Trenkler, DER STANDARD, 29./30.12.2012)