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Dirigiert das Neujahrskonzert 2014: Daniel Barenboim

Foto: EPA/MAURIZIO GAMBARINI

Liebt man es oder hasst man es? Es soll Menschen geben, die das Neujahrskonzert als eine ewig wiederkehrende akustische Fortsetzung der Sissi-Filme empfinden: als einen zuckersüßen, monarchieseligen Walzerreigen mit dazwischengepappten Zeitlupe-Werbefilmchen für ein sonnenbeschienenes "Tu felix Austria".

Die Wiener Philharmoniker lieben das Konzert natürlich, und nicht nur, wenn sie aufs Orchesterkonto schauen (es wird seit 2009 eigenvermarktet): Der ehemalige Solocellist Franz Bartolomey betonte jüngst im STANDARD, dass diese Musik die emotionalen Schleusen des Orchesters und der Dirigenten öffne wie keine zweite und plädierte aus diesem Grund auch für eine Mehrfachverpflichtung eines Dirigenten.

Eine solche ereilte nun Daniel Barenboim. Im Haydn-Jahr 2009 durfte der aus Argentinien stammende Global Player erstmals im Allerheiligsten der Kommerzkunst wirken, die ortsansässige Kritik jubilierte über die ideale "Mischung aus Insistieren und Loslassen", die man dem "akribischen Vorbereitungsgeist" des damals 66-Jährigen zu verdanken wusste. Mittlerweile ist der "Akribische" 70 Jahre alt geworden. Und zwischen seinen Verpflichtungen als Generalmusikdirektor der Berliner Lindenoper, als Musikchef der Scala, als Gründer des West-Eastern Divan Orchestra, als Pianist und Kammermusiker fand er natürlich auch Zeit, mit den Philharmonikern zu musizieren: Im Mai 2011 fuhren einige Mitglieder des Orchesters nach Gaza, um mit ihm und anderen Spitzenmusikern ein Konzert zu geben. Und im Herbst letzten Jahres feierte man Barenboims 70. Geburtstag sowie sein 60-jähriges Bühnenjubiläum als Pianist mit Auftritten im Wiener Konzerthaus.

Im Magazin der Süddeutschen Zeitung war jüngst ein Porträt über die Musikmaschine und den Genussmenschen Barenboim zu lesen, über die Heerschar an Assistenten um ihn herum, Zigarren, Whiskys, Termine akkordieren bis zur letzten Minute, und dann raus zum Parsifal oder zum Soloabend in Salzburg. Er ist schon ein cooler Typ, der als Pianist dann und wann aber zwischen Genie und Schludrigkeit agiert.

Der FAZ beichtete er seine Bitte an Gott: "Ich habe schon so viele falsche Töne gespielt, so viele Gedächtnislücken und Fehler, dass ich es gar nicht verdiene, zu dir zu kommen. Also lass mich bitte einfach hier!" Bitte, Gott. Und nicht nur bis zum Neujahrskonzert 2014. (Stefan Ender, DER STANDARD, 2.1.2013)