Bild nicht mehr verfügbar.

Chinas Staatsmedien preisen den Aufstieg Xi Jinpings vom Funktionär in der Provinz - hier auf einem Bild aus dem Jahr 1988 ...

Foto: DAPD

Bild nicht mehr verfügbar.

bis zum Parteichef von heute.

Foto: DAPD

Chinas neuer Partei- und Militärchef Xi Jinping, der erst im November zum ranghöchsten Funktionär der Volksrepublik ernannt wurde, ist kein Freund des Personenkults. Wenigstens kokettiert er damit, es nicht zu sein. "Ich habe mehr als 100-mal alle Anfragen zu Interviews über meine Person abgelehnt. Ich bin gegen die Propagierung von Einzelnen. Ich lehne es auch ab, wenn Biografien über mich geschrieben werden sollen."

Das war im Jahr 2000. Der damals 47-jährige Sohn des Altrevolutionärs Xi Zhongxun war in Fujian gerade zu einem der jüngsten Provinzgouverneure des Landes aufgestiegen. Nur widerstrebend ließ sich Xi vom Parteijournalisten Yang Xiaohuai interviewen, dem Herausgeber der Zeitschrift des Kommunistischen Jugendverbands "Söhne und Töchter Chinas" . Xi verlangte, keinen Lobgesang auf ihn zu schreiben. "Das glaubt doch kein Leser." Yang druckte alles, was Xi ihm sagte.

Zwölf Jahre später will Xi von seinen damaligen Bedenken nichts mehr wissen. Zum Weihnachtstag, sechs Wochen nach seiner Inthronisierung als Parteiherrscher, starteten Pekings Propagandisten eine neue Imagekampagne für die mächtigen Sieben im Politbüro-Ausschuss, dem höchsten Führungskollektiv in China. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua machte mit Xi als Nummer eins den Anfang. Sie druckte in einer siebenteiligen Fortsetzungsreihe eine biografische Lobeshymne auf ihn. Unter Überschriften wie Mann des Volkes und Staatsmann der Visionen wirkt sie wie eine Neuauflage des einst verfemten Personenkults.

Fotos aus dem Familienalbum

Die Tageszeitung China Daily brauchte allein drei volle Zeitungsseiten für den auch ins Englische übersetzten Text. Sie illustrierte ihn mit elf Farbfotos aus einer Serie von 23 Aufnahmen, die Xi aus seinem Familienalbum freigab. Sie zeigen ihn etwa als jungen lokalen Parteichef, der seine Tochter Xi Mingzi auf dem Rad spazieren fährt, oder zusammen mit seiner Frau, der berühmten Armeesängerin Peng Liyuan, wie er seinen Vater Xi Zhongxun im Rollstuhl schiebt.

Zwei Seiten und sechs Fotos widmete China Daily danach auch der Biografie des künftigen Premierministers Li Keqiang unter dem Titel: Ein Freund des Volkes - der sich der Reform verschrieben hat. Nur noch eine Seite bekamen die anderen fünf höchsten Funktionäre Chinas.

Blogger zählten die Schriftzeichen der Lobpreisungen und spotteten über die protokollarisch festgelegte Rangordnung. Auf 15.000 Zeichen bringt es die Würdigung für Xi. 8000 sind es für Li und jeweils exakt 3000 für die fünf anderen aus dem inneren Zirkel der absoluten Macht.

Anders als Vorgänger und Ex-Parteichef Hu Jintao, der persönliche Berichte über sich oder die Veröffentlichung von Jugend- und Familienfotos verbot, zeigen sich seine Nachfolger mit Frau und Kind. Viel Neues wird aber nicht über sie verraten.

Bei Xi, der als Kind für seinen von 1962 bis zur Rehabilitierung 1978 politisch in Ungnade gefallenen Vater mitbüßte, wird in zwei Sätzen zumindest angedeutet, wie viel maoistischen Wahn er miterlebte. Unklar bleibt, was er daraus für Lehren gezogen hat. Wörtlich heißt es: "Von 1962 an litt der noch kleine Xi Jinping in Sippenhaft darunter, dass sein Vater, einer der Revolutionsveteranen der ersten Stunde, verfolgt wurde. Der Junge wurde schikaniert, während der Kulturrevolution an den Kritikpranger gestellt, musste hungern, vagabundierte herum und wurde sogar eingesperrt."

Der Hauptteil des Berichts lobt die Ochsentour des Aufstiegs von Xi über Landarbeit und seine Politik in Armutsgebieten und in fernen Provinzen. Xi wird privat als vorbildlicher Ehemann dargestellt, der bei auswärtigen Auftritten seiner Frau "mindestens einmal am Tag mit ihr telefonierte".

Der Englisch-Leser

Als Reformer wird Li Keqiang, die Nummer zwei des Landes, porträtiert. Verheiratet mit der Anglistikprofessorin Chen Hong ist er Chinas erster Spitzenpolitiker, der so gut Englisch kann, dass er ausländische Fachliteratur im Original liest. Zwischen den Zeilen versteckt sich eine interessante Information. Li trage keine Verantwortung am vertuschten Skandal um die Aidsansteckung von zehntausenden Bauern durch skrupellose Bluthändler in Henan. 2002 wurde er Parteichef der Provinz. Er habe sich um rasche Aufklärung gekümmert und dazu auch in Kontakt zur Aidshilfe-Aktivistin und pensionierten Ärztin Gao Yaojie gestanden. Indirekt ist das ein Signal zur Rehabilitierung der heute 85-jährigen Gao, die einst vor behördlicher Verfolgung ins US-Exil flüchtete.

Mit ihrer Charmeoffensive haben Pekings Führer eine Debatte im Internet losgetreten, ob sie den weitverbreiteten Vorwurf von Korruption und Vetternwirtschaft gegen sie und ihre Familien durch mehr Transparenz entkräften wollen. Sofort wurde aber auch online die Frage gestellt, wann Chinas Führer, so wie Politiker in den USA, ihre Einkommens- und Besitzverhältnisse offenlegen.

Über ihre privaten Vermögensverhältnisse geben die Sieben keine Auskunft, auch nicht, welche Jobs ihre Kinder haben oder wo sie studieren. Vom Vizepremier Zhang Dejiang etwa erfährt die Öffentlichkeit aus seiner neuen Biografie, dass seine Frau Xin Shusen Abgeordnete und Ingenieurin ist. Ein Blogger ergänzt, dass sie aber auch Vizedirektorin einer der vier großen Geschäftsbanken sein soll.

Auslandsmedien wie die US-Nachrichtenagentur Bloomberg oder die New York Times stießen bei Recherchen über die Vermögen von mächtigen Funktionärsfamilien auf buchstäbliche Milliardenvermögen. Vor einigen Tagen erschienen chinesische Mikroblogs mit detaillierten Angaben über neue angebliche Millionenvermögen und über das konkrete Wohneigentum aller sieben Mitglieder des Ständigen Ausschusses des Politbüros. Die Adressen ihrer Wohnungen und Häuser wurden mitgeliefert. Die Zensur arbeitete unter Hochdruck, um die Einträge wieder zu löschen.

Für den Bereich Propaganda und Zensur ist unter Chinas sieben Mächtigen künftig der 65-jährige Liu Yunshan zuständig. Xinhua veröffentlichte auch seine Biografie. Der ehemalige Bauernjunge und spätere Journalist sei immer "glücklich, wenn er die Wahrheit vom Volke hört". Er "kann Beamtenjargon und leeres Gerede" nicht ausstehen und unterstütze den " freien, geordneten und sicheren Fluss an Informationen über das Internet" .

Die Betonung liegt offenbar auf dem Wort "geordnet". Denn noch während Chinas Zeitungen die Biografien der neuen Führer unter die Leute brachten, beschloss das Präsidium des Volkskongresses, Chinas Internetfreiheiten wieder einzuschränken. (Johnny Erling, DER STANDARD, 2.1.2013)