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Boliviens Antikorruptionsministerin Nardi Suxo hat dutzende Funktionäre wegen Korruption und Erpressung hinter Gitter gebracht. Ein Bodyguard schützt sie vor Übergriffen

Foto: REUTERS/Stringer

Sucre/Puebla - Sie sind der Schrecken der bolivianischen Mafia und der ethische Stoßtrupp von Präsident Evo Morales: die Frauen der Antikorruptionsbehörde. Allen voran Ministerin Nardi Suxo, eine zierliche Frau mit sanfter Stimme und einem eisernen Willen. Sie war die erste Wahl des linken Staatschefs, als er vor drei Jahren das Ministerium für Transparenz schuf. "Ich wollte erst nicht, weil es nicht mein Fachgebiet ist", sagte die Menschenrechtsexpertin dem Standard, " aber der Präsident sagte, niemand anderem könne er diese Aufgabe anvertrauen."

Ohne den vorbehaltlosen Rückhalt des Präsidenten wäre sie wohl schon lange nicht mehr Ministerin. Denn Suxo sitzt im Wespennest. "Die enormen Ausmaße dieser Kloake haben sogar mich überrascht", sagt sie. Bolivien ist eines der korruptesten Länder der Welt. Es belegt Platz 84 von 97 auf dem Rechtsstaatsindex von World Justice Project. Auf der jüngsten Rangliste der transparentesten Staaten landete das Andenland auf dem 105. von 176 Plätzen. Schlecht, aber immerhin 13 Plätze besser als im Vorjahr. Und das ist vor allem den kämpferischen Frauen zu verdanken.

Erpresserring ausgehoben

Gerade wurde aufgrund von Hinweisen des Ministeriums - in dem an wichtigen Schaltstellen Frauen sitzen - ein Erpresserring ausgehoben, an dem Richter, Staatsanwälte und ranghohe Funktionäre des Innenministeriums beteiligt waren. Suxo hat den Direktor des staatlichen Energiekonzerns YPBF und damals dritten Mann der regierenden Bewegung zum Sozialismus (Mas), Santos Ramírez, wegen Bestechung zu zwölf Jahren Haft verurteilen lassen und die Gelder auf Konten der Commerzbank aufgespürt.

Wegen ihr sitzt der zwielichtige Narco-Anwalt und ehemalige Chef der Direktion für beschlagnahmte Drogengüter, Denver Pedraza, hinter Gittern. Aufgrund von Suxos Ermittlungen wurde er zu fünf Jahren Haft verurteilt. Er hat ihr öffentlich mit dem Tod gedroht und einen Killer auf sie gehetzt. Seither hat sie einen Bodyguard.

Die Spielhöllenmafia, eng verbandelt mit russischen Gangstern, hat fünf Millionen Dollar auf ihren Kopf ausgelobt. Auch die Drogenmafia, mit Kontakten nach Mexiko und Kolumbien, hat sie auf dem Kieker. Bolivien ist der drittgrößte Kokainproduzent der Welt. Die Liste ihrer Feinde ist lang, und deren Methoden sind schmutzig.

Suxos Kabinettschef trat zurück - nach einem brutalen Überfall, bei dem er fast zu Tode geprügelt wurde, nur um ihm den Terminkalender der Ministerin zu stehlen. Ihr 14-jähriger Sohn wurde ebenfalls halb tot geschlagen; ihre Tochter musste nach Morddrohungen nach Deutschland ins Exil, und selbst dort hörten die Drohungen nicht auf. Suxos Vizeministerin wurde entführt und konnte nur dank des beherzten Eingreifens aufmerksamer Nachbarn befreit werden.

"Ohne die Hilfe und die Ermunterung durch die Bevölkerung hätte ich nicht so lange ausgehalten", sagt die 54-Jährige, die vor ein paar Monaten schon kurz vor dem Rücktritt stand. Bei der Mafia knallten bereits die Korken, doch Morales ließ Suxo - als eine seiner engsten Vertrauten - nicht ziehen. Auch von Organisationen wie der Weltbank und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) gibt es Unterstützung für die Arbeit des Antikorruptionsministeriums - während es in Bolivien selbst viel Anfeindungen gibt.

Das Transparenzministerium veranstalte einen Feldzug gegen politische Gegner, so die bürgerliche Opposition, deren Medien die Ministerin gerne als unfähig darstellen. Denn auch herausragende Vertreter der Opposition wie der millionenschwere Ex-Präfekt Manfred Reyes Villa, der inzwischen von Interpol gesucht wird, oder der ehemalige Präsident der Fluglinie Aerosur, Humberto Roca, der das Vermögen des Unternehmens kurz vor der Pleite auf sich überschreiben ließ und mit 37 Millionen US-Dollar nach Miami floh, sind in die Fänge der Antikorruptionsbeamten geraten.

Korrupte Parteifunktionäre

Aber auch in der Regierungspartei ist Suxo ein rotes Tuch - in drei Jahren hat sie fast 100 korrupte Parteifunktionäre auffliegen lassen. Die Korruption sei eine Hydra und die Fortschritte seien viel zu winzig, klagt ein bolivianischer Journalist. Das Ministerium habe oft schnell reagiert, aber die Justiz sei weiterhin völlig ineffizient, so der Präsident des Unternehmerverbandes, Daniel Sánchez. Immerhin findet er lobende Worte für das Ministerium: "Viele Dinge sind in Bewegung gekommen. Es kommt nun viel seltener vor, dass Beamte für Dokumente Schmiergeld verlangen."

Das ist eine Folge des neuen Antikorruptionsgesetzes, das alle Ministerien zur Offenlegung von Haushaltsgeldern und Auftragsvergaben zwingt. Alle staatlichen Stellen müssen Transparenzbeauftragte vorweisen; Korruptionsdelikte verjähren nicht mehr und sind rückwirkend verfolgbar - auch international ein Novum. Es gibt einen Studiengang für Transparenz in der öffentlichen Verwaltung und Veranstaltungen an den Schulen.

Suxo: "Früher war Korruption Alltag - heute denken die meisten zweimal nach, bevor sie sich darauf einlassen." (APA, 3.1.2012)