Nofrete, anmutige Gemahlin des Pharaos Echnaton: eine verwandtschaftliche Ähnlichkeit mit Sophia Loren.

Foto: Staatliche Museen zu Berlin

Berlin - Als Archäologen im Jahr 1912 im ägyptischen Tell el-Amarna auf die Büste der Nofretete stießen, erhob der Grabungsleiter Ludwig Borchardt das kostbare Stück unmittelbar in den Rang einer Ikone: " Beschreiben nützt nichts. Ansehen", so brachte er die Reaktion auf den Punkt. Das wurde so nicht befolgt, die gut einen halben Meter hohe Statue wurde in den hundert Jahren seither nicht nur eingehend untersucht, sondern auch beschrieben, verglichen - und natürlich wurde die Echtheit bestritten.

Konnte es wirklich sein, dass eine Figur aus dem 14. Jahrhundert vor der christlichen Zeitrechnung aussah wie eine Verwandte von Sophia Loren? Die Nofretete wurde, wie es damals üblich war, in das Herkunftsland der Archäologen gebracht, und dort befindet sie sich heute noch. Seit 2007 ist die Büste wieder ein Publikumsmagnet der Berliner Museumsinsel, vergleichbar vom Status her allenfalls mit der Mona Lisa im Louvre.

Zum 100. Jahrestag des Funds in der Werkstätte des Bildhauers Thutmosis haben die Staatlichen Museen zu Berlin nun im Neuen Museum eine Sonderschau zur sogenannten Amarna-Kultur ausgerichtet, in der ein breiterer Überblick über die Relikte dieser spannenden Periode der altägyptischen Geschichte gegeben wird, in der der Pharao Echnaton, dessen Frau Nofretete war, ein religionspolitisches Manöver mit weitreichenden Folgen wagte: Er verordnete einen zentralisierten Kult des Gottes Aton, einer Sonnengottheit, und gründete dafür eine eigene Stadt, ebenjenes Achet-Aton, das in Amarna ausgegraben wurde. Tatsächlich wurde mit Atons Bestellung zur obersten Götterinstanz eine Reihe von Gottheiten für überflüssig erklärt. Dies galt etwa für den vormaligen Reichsgott Amun (Amun-Re). Zeitgleich mit dem Tod Echnatons geriet aber auch Atons Allmacht ins Wanken. Die "alten" Götter wurden letztlich in ihrem Rang wieder bestätigt.

Theologie und Politik

Die Grenzstelen, die zur territorialen Festlegung der neuen Stadt in den Felsen geschlagen wurden, bilden heute ein wichtiges Dokument, denn sie enthalten nicht nur weitere Darstellungen von Echnaton und Nofretete, sondern auch Texte, die durchaus als politische Verlautbarungen (allerdings in stark religiös gefärbter Rede) gelten können.

Die Ausstellung verfolgt ein doppeltes Ziel: Einerseits wird ein Überblick über den Wissensstand (und die Materiallage) zu Ägypten unter Echnaton gegeben; andererseits wird die Grabungsgeschichte noch einmal genau in den Blick genommen, wird der Archäologe Ludwig Borchardt thematisiert, wie auch James Simon, jener Unternehmer im Berlin Wilhelms II., der mäzenatisch entscheidend dazu beitrug, dass die Nofretete an das damals noch Ägyptische Museum in Berlin ging.

Für den althistorischen Teil der Ausstellung ist es von Vorteil, wenn man ein wenig den komplettierenden Blick der Archäologen übt. So gab es von Nofrete offensichtlich auch eine Kolossalstatue, von der aber nur ein kleiner Teil übrig geblieben ist, den Rest muss man sich denken.

Andererseits verblüfft an vielen "privaten" Darstellungen des Paars Echnaton und Nofretete, wie ungezwungen sie darauf wirken: Auf einem Relief herzt der Pharao eines der Kinder, während die Mutter ein anderes auf dem Schoß sitzen hat, in einer Szene öffentlicher Intimität, die durchaus an heutige Inszenierungen der Privatheit bedeutender Leute denken lassen kann.

Die "moderne" Subjektivität, die man in der Büste der Nofretete erkennen zu können meint, weicht aber doch einer grundlegenden Fremdheit, wenn man dem Objekt selber gegenübersteht. Die Jahrtausende sind eben doch nicht so ohne weiteres zu überbrücken, auch nicht durch eine Ausstellung, die ebendies mit bestmöglicher Sorgfalt und einigem inszenatorischen Geschick versucht. (Bert Rebhandl/DER STANDARD, 3. 1. 2013)