Bild nicht mehr verfügbar.

Niederlage für Premier Orbán, der die Wählerregistrierung zu seinen Gunsten nutzen wollte.

Foto: APA/EPA/Warnand

Im Streit um die ungarische Wahlrechtsreform hat Premier Viktor Orbán eine Niederlage erlitten: Das ungarische Verfassungsgericht kassierte am Freitag die umstrittene obligatorische Wählerregistrierung. Die Höchstrichter befanden die neue Bestimmung, wonach sich wahlwillige Bürger bis maximal zwei Wochen vor den Wahlen am Gemeindeamt anmelden müssen, für verfassungswidrig. "Die Registrierungspflicht schränkt das Wahlrecht auf unbegründete Weise ein", argumentierten sie ihre Entscheidung.

Erstmals wäre die Wählerregistrierung bei den nächsten Parlamentswahlen im Frühjahr 2014 zur Anwendung gelangt. Der Fraktionschef von Orbáns Regierungspartei Fidesz, Antal Rogán, trat unmittelbar nach Bekanntwerden des Urteils vor die Presse und erklärte: "2014 wird es keine Wählerregistrierung geben."

Gesetz auch in Fidesz-Kreisen umstritten

Die Maßnahme war selbst in Fidesz-Kreisen nicht unumstritten. Doch der Rechtspopulist Orbán hatte sein gesamtes politisches Gewicht in die Waagschale geworfen, um die Wählerregistrierung durch Fidesz-Vorstand, Fraktion und Parlament zu peitschen. Eine sachlich begründete Notwendigkeit hatte dafür nie bestanden - Meldewesen und Wählerevidenzen funktionieren in Ungarn klaglos. Fidesz-Granden hatten den Vorstoß unter anderem mit dem Hinweis begründet, man wolle "das Wählerbewusstsein stärken".

Nach Ansicht von Beobachtern wollte Orbán mit der Registrierung hingegen bildungsferne und verarmte Schichten von den Wahlurnen fernhalten und damit seine Wiederwahl - bei sinkender Popularität - erleichtern.

Das Gesetz wurde Ende des Vorjahres von der Fidesz-Zweidrittelmehrheit im Parlament beschlossen. Der rechts-konservative Staatspräsident János Áder setzte es allerdings mit seiner Unterschrift nicht gleich in Kraft, sondern verwies es zur Normenkontrolle an das Verfassungsgericht.

Kompetenzentzug

Dessen Urteil stellt jedenfalls die schwerste Niederlage dar, die Orbán seit seinem Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren einstecken musste. Bei früheren Anlässen hatte sich Ungarns starker Mann über Sprüche des Verfassungsgerichts hinweggesetzt. Als dieses etwa im Herbst 2010 die rückwirkende Deckelung der Beamtenpensionen kippte, ließ Orbán dem Verfassungsgericht einfach die Kompetenz entziehen, über wirtschaftspolitische Fragen zu entscheiden - und das strittige Gesetz neu beschließen.

Auch diesmal sah es zunächst so aus. Als das Höchstgericht vor einer Woche die Wählerregistrierung formal aus den Übergangsbestimmungen der Verfassung strich - und damit den Weg zum inhaltlich relevanten Urteil vom Freitag ebnete -, erklärte Fraktionschef Rogán noch, dann werde man eben die Wählerregistrierung in den Kerntext der Verfassung hineinschreiben.

Doch damit hätten Orbán und seine Getreuen eine "rote Linie" überschritten - die Legitimität der nächsten Wahlen hätte angezweifelt werden können, wenn die Registrierungspflicht trotz eines Neins des Gerichts weiter bestanden hätte. Rogán gab sich am Freitag vor der Presse abgeklärt. Die Stärke, um an der Registrierung festzuhalten, würde seine Fraktion wohl haben, meinte er. "Doch Stärke ist nicht alles, die Vernunft diktiert etwas anderes." (Gregor Mayer/DER STANDARD Printausgabe, 5.1.2013)