Das krönende Ergebnis der Shopping-Diät von Nunu Kaller: Zwei selbst gestrickte Pullover.

Foto: derstandard.at/gueb

"Sie sind zwar nicht perfekt, aber ich bin wahnsinnig stolz drauf, dass ich mich wirklich traue, meine Strickkunst auch außerhalb der eigenen vier Wände anzuziehen", lautet das Resümee der 31-jährigen Wienerin.

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Nunu Kaller war süchtig. Süchtig nach neuen Kleidungsstücken. Mehrmals im Monat das gleiche Ritual: nach getaner Arbeit noch schnell rein in den nächsten Textildiskonter à la H&M, Zara oder Mango, um für 15 bis 20 Euro ein neues Kleid, einen trendigen Pullover oder eine schicke Hose zu kaufen.

Angefangen hat alles 2011. "Das war ein richtiges Scheißjahr, in dem die Schicksalsschläge wie eine Gewitterfront über mich hereinbrachen. Ein Todesfall in der Familie, gefolgt von einer schweren Erkrankung im Verwandtenkreis und übermäßig Stress im Job", beschreibt die 31-jährige Wienerin die Hintergründe für ihr Dasein als Shopaholic.

Der Konsumrausch habe derartige Ausmaße angenommen, dass sie begann, die neuen Sachen vor ihrem Freund zu verstecken und erst drei Wochen später anzuziehen. Auf die Frage, "ob das Kleidungsstück neu ist", konnte sie so mit gutem Gewissen entgegnen: "Nein, das habe ich schon länger."

Entschluss zur Shopping-Diät

Schließlich wurde ihre Leidenschaft doch bemerkt. "Nicht, weil mich mein Freund so genau angesehen hätte, sondern weil ihm die Menge an Plastiksackerln in der Küche aufgefallen ist", so Nunu Kaller. Als sie Anfang 2012 bei einem Kurztrip ins spanische Modemekka Barcelona zufällig auf einen Artikel über eine deutsche Shopping-Verweigerin stieß, kam sie ins Grübeln: "Es waren nur ein paar Zeilen, aber dieser Gedanke hat mich nicht mehr losgelassen. Irgendwie klang das so erleichternd."

So fasst Kaller ihren Entschluss zur einjährigen Shopping-Diät. Eine Stunde vor dem Rückflug befällt die Wienerin Panik. Das Resultat: Sie steigt in Wien mit einem neuen Mantel aus dem Flieger. Es sollte das letzte neue Kleidungsstück für längere Zeit sein. 

"Ich bin für vieles bekannt, aber definitiv nicht für meine Konsequenz", gesteht Nunu Kaller. Um sich zu disziplinieren, eröffnet sie kurzerhand einen Blog, in dem sie ihre Erfahrungen mit der selbst auferlegten Shopping-Abstinenz kommentiert. 

Während dieser 365 Tage stellt sich für die 31-Jährige auch zunehmend die Frage, "wo und wie ein Großteil der Textilien produziert wird". Sie beginnt sich mit den prekären Arbeitsbedingungen in Hauptproduktionsländern wie Bangladesch, Pakistan, Indien, China und Teilen von Afrika auseinanderzusetzen, informiert sich über Umweltaspekte der Baumwollproduktion und recherchiert, welche Modelabels eine Alternative durch faire und ökologisch nachhaltige Produktion bieten. Die Ergebnisse ihrer Suche macht sie über ihr Online-Tagbuch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Eigenen Angaben zufolge verzeichnete ihr Web-Diary an manchen Wochenenden bis zu 10.000 Klicks.

Alternative Trostpflaster

Zu dieser Zeit entdeckt Kaller auch ihre Freude am Stricken und Nähen. Anfänglich wagt sie sich nur über relativ banale Dinge wie Schals, Hauben, Fäustlinge und Röcke. Schließlich folgen eine Sehnenscheidenentzündung und zwei Pullover - der dritte ist in Arbeit. "Beim Stricken hatte ich manchmal das Gefühl, ich produziere ein Zelt. Der erste Pullover ist auch etwas breit geraten, aber immerhin - er ist geworden", lautet ihr selbstironisches Fazit. 

Am 16. Jänner 2013 ist es theoretisch vorbei mit der textilen Konsumverweigerung. "Ich werde aber sicher nicht wieder in den Shopping-Wahn verfallen", sagt Kaller. Vielmehr möchte sie künftig mehr auf Qualität achten und fair, ökologisch und einfach "entschleunigt" einkaufen. "Es müssen nicht mehr drei T-Shirts und zwei Hosen sein, sondern ein Stück, das wirklich passt." Vielleicht sogar zu einem der selbst gestrickten Pullover.

Kaller betont, dass sie mit ihrer Aktion nicht die Welt verändern möchte."Ein Jahr keine Kleidung zu kaufen passiert manchen Männern öfter einmal. Es war für mich einfach eine wichtige und gute Erfahrung, mehr nicht." Nicht umsonst titelt der aktuelle Blogeintrag mit der Frage: "Wos woar mei Leistung?". (Günther Brandstetter, derStandard.at, 16.1.2013)