Brennende Straßenbarrikaden am 7. Jänner in der Newtownards Road in Belfast.

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Demonstrant mit britischer Fahne vor dem Rathaus in Belfast am Montagabend.

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Probritische Loyalisten marschierten am 5. Jänner in Belfast. Sie wollen, dass die britische Flagge wieder jeden Tag auf dem Rathaus von Belfast gehisst wird.

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Benzinbomben, Feuerwerkskörper, Ziegelsteine und ausgebrannte Autos. Auf den Straßen der nordirischen Hauptstadt Belfast will seit fünf Tagen keine Ruhe einkehren. Hunderte pro-britische, meist jugendliche Demonstranten äußern mit diesen Aktionen ihren Unmut über die Entscheidung des Stadtrates, wonach die britische Flagge nicht mehr jeden Tag über dem Rathaus wehen soll, sondern nur mehr maximal 17 Tage im Jahr.

Friedlicher Prozess eskaliert

Seit dem Beginn der Proteste Anfang Dezember des Vorjahres hat es bereits mehr als hundert Festnahmen gegeben, mehr als 60 Polizisten wurden verletzt. Am Montag trat der Belfaster Stadtrat das erste Mal nach der umstrittenen Flaggen-Entscheidung wieder zusammen. Diese Gelegenheit nutzen circa 400 Demonstranten, um ihren Protest vor das Rathaus der Stadt zu tragen. Zwischen 18 und 19 Uhr fand dort eine laut Polizei überwiegend friedliche Veranstaltung statt. Die Situation sei eskaliert, als rund 250 pro-britische Demonstranten auf dem Heimweg im Osten von Belfast bei einer Kreuzung auf eine rund 70 Mann starke Gruppe von pro-irischen Nationalisten traf, berichtet die BBC auf ihrer Website. Die darauffolgende gewalttätige Auseinandersetzung konnte die Polizei nach dem Einsatz von Wasserwerfern und Gummigeschoßen gegen 22 Uhr stoppen. 

Von Politikern allein gelassen

Der Protest entzündete sich zwar am Streit über das Hissen der britischen Flagge, hat aber tiefer liegende Ursache. Roy Greenslade führt in der britischen Tageszeitung The Guardian die derzeitige Eskalation darauf zurück, dass sich die pro-britische, loyalistische und meist protestantische Arbeiterklasse von ihren politischen Vertretern allein gelassen fühlt. Das sei auch daran abzulesen, dass Aufrufe zum Stopp der Gewalt von loyalistischen Politikern nicht gefruchtet haben.

Ein Gefühl der Marginalisierung und Benachteiligung im Friedensprozess eine die Demonstranten, heißt es weiter. Faktische Beweise für diese Einschätzung gibt es nicht. Zwar hat sich die Arbeitsplatz- und Ausbildungssituation für pro-irische meist katholische Nationalisten in den vergangenen Jahren verbessert. Im Westen von Belfast, wo die Proteste eskalierten, ist die Arbeitslosigkeit unter Katholiken allerdings weiterhin höher als die unter Protestanten. 

Gefühlte Benachteiligung

Liam Clark, Journalist bei der nordirischen Tageszeitung Belfast Telegraph, erklärt die derzeitige Protestwelle gegenüber dem Radiosender Deutsche Welle folgendermaßen: Viele pro-britische Protestanten haben den Eindruck, dass sie im Vergleich mit den meist katholischen Nationalisten weniger von der Autonomie Nordirlands profitieren konnten. Die wirtschaftliche Krise im Land und der damit einhergehende Mangel an Arbeitsplätzen lässt diese Spannungen nun akut werden. 

Paramilitärs bei Protesten

Mittlerweile versuchen pro-britische paramilitärische Organisationen wie die Ulster Volunteer Force (UVF) die Proteste zu vereinnahmen. Laut dem Polizeichef von Belfast, Matt Baggott, sind Führungspersönlichkeiten der lokalen Vertretung der UVF in die Eskalation der Proteste verwickelt, schreibt der Belfast Telegraph. Laut Baggott sei es aber nicht bewiesen, dass die nationale Führungsriege der UVF die Eskalation gut heißt.

Der Union Jack wird am 9. Jänner das erste Mal in diesem Jahr über dem Rathaus flattern. Es gilt den Geburtstag der Herzogin von Cambridge zu feiern. Laut dem BBC-Korrespondenten Mark Simpson gibt es aber keine Aussicht auf die Rücknahme der Flaggen-Entscheidung. Auch die Demonstranten haben bereits weitere Proteste angekündigt. (mka, derStandard.at, 8.1.2013)