Das kurdische Informationsbüro in Paris hat Fotos und die Namen der Opfer veröffentlicht.

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Kurden demonstrieren nach der Bluttat in Paris. Eine Antiterroreinheit hat für die Suche nach den Tätern mobilisiert.

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Es waren Profis am Werk, eiskalte Profis. Eine Frau wurde mit zwei Kugeln in den Kopf und den Bauch ermordet, eine zweite und eine dritte mit Nackenschüssen regelrecht exekutiert. Offensichtlich operierten die Täter mit Schalldämpfern.

Die Mordtat ereignete sich gegen ein oder zwei Uhr nachts im Kurdischen Informationszentrum im belebten zehnten Bezirk der französischen Hauptstadt. Dort leben viele Kurden, Türken und andere Immigrantengruppen. Das angesehene Kurdeninstitut ist teilweise elektronisch gesichert; Ermittler halten es deshalb für möglich, dass die Frauen die Mörder kannten und ihnen öffneten.

"Terrorvereinigung"

Von den drei ermordeten Frauen arbeitete nur eine, Fidan Dogan, im Institut. Bei den zwei anderen handelt es sich um Leyla Söylemez, eine junge Aktivistin, sowie Sabine Cansiz, ein Gründungsmitglied der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die die EU als Terrorvereinigung einstuft.

Eine Angestellte des Kurdeninstitutes erklärte am Donnerstag, es gebe "keinen Zweifel daran, dass die Tat politisch motiviert war". Die legale Kurdenpartei BDP verlangte von der französischen Regierung "zweifelsfreie" Aufklärung. An die 300 Kurden versammelten sich am Donnerstag vor dem Institut. Sie skandierten PKK-Parolen und riefen, die Türkei sei die "Mörderin", Frankreichs Präsident François Hollande ihr "Komplize".

Die Kurden am Tatort äußerten sich überzeugt, dass türkische Hardliner hinter dem Dreifachmord steckten. Diese wollten die aktuellen Friedensgespräche Ankaras mit den Kurden sabotieren. Der türkische Geheimdienst verhandelt, wie halboffiziell bestätigt wird, mit dem inhaftierten kurdischen Rebellenchef Abdullah Öcalan. Dabei geht es um ein Ende des fast 30 Jahre alten Kurdenkonflikts, der mehr als 40.000 Opfer gefordert hat.

Jüngst hieß es sogar, die beiden Seiten hätten sich im Grundsatz darauf geeinigt, dass die PKK-Kämpfer den bewaffneten Kampf aufgäben und die Türkei verließen; im Gegenzug würden ihrem Volk Autonomierechte gewährt, und es sollten hunderte Häftlinge freigelassen werden.

In Ankara erklärte ein Sprecher der türkischen Regierungspar- tei AKP von Ministerpräsident Tayyip Erdogan, eine interne Fehde könnte den Mord erklärten; in der Vergangenheit habe es schon öfter solche Abrechnungen in der PKK gegeben. Darauf deute auch, dass die Mörder offenbar ohne Gegenwehr ins Institut eingelassen worden seien.

Am Kurdeninstitut wurde dem entgegengehalten, es passe zu türkischen Offizieren und Nationalisten, Frauen zu Zielscheiben zu machen. Unter den 150.000 Kurden in Frankreich sind sehr viele Aktivistinnen. Sie verdanken ihr Asyl der früheren Präsidentengattin Danielle Mitterrand, die sich in den 1980ern und 1990ern für die Belange der Kurden und vor allem der Kurdinnen einsetzte.

Heute liegt Frankreich allerdings mit der Türkei wegen des EU-Beitrittsgesuchs im Clinch; um weiteren Konfliktstoff zu vermeiden, hat Paris die kurdenfreundliche Politik aufgegeben. PKK-Sympathisanten stehen seit langem unter geheimdienstlicher Überwachung und werden immer wieder Gegenstand von Ermittlungen wegen möglicher Finanzierung einer Terrororganisation.

Innenminister Manuel Valls besuchte am Donnerstag den Tatort und erklärte, seine Regierung sei entschlossen, die "inakzeptable" Tat aufzuklären. Anwesende Kurden zeigten sich allerdings skeptisch, ob Paris wirklich gewillt ist, "volles Licht" in den Mordanschlag zu bringen, wie Valls sagte. Vor allem, wenn sich die türkische Spur verdichten sollte. (Stefan Brändle aus Paris, 11.1.2013)