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Sergey Brin und sein erklärtes Lieblingsprojekt

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Unter dem Codenamen "Project Glass" arbeitet Google seit geraumer Zeit an einer futuristischen Datenbrille mit Augmented Reality-Funktionen. Sergey Brin, der Mitbegründer des Suchmaschinen-Giganten, nutzt jede Gelegenheit, sein erklärtes Lieblingsprojekt öffentlich zu präsentieren und vorab zu bewerben. Über die Alltagstauglichkeit lässt sich derzeit aber nur mutmaßen. Fest steht hingegen, dass sich das Unternehmen aus Mountain View mit Google Glass offensiver als die Konkurrenz in das Feld des "Wearable Computing" vorwagt. Liegt hier die Zukunft von Google und der gesamten IT-Branche oder ist das ambitionierte Projekt bereits jetzt zum Scheitern verurteilt? Wir wagen einen Ausblick.

Smartphone im Brillenformat

Anhand dessen, was bislang über Google Glass bekannt ist, liegt der Vergleich mit dem Funktionsumfang eines aktuellen Smartphones nahe. Sprach- und Video-Telefonie, eine intelligente Kalenderverwaltung oder banale Features wie ein MP 3-Player sollen zu den Grundfunktionen der Datenbrille gehören. Einzigartig wird Google Glass erst durch Navigations-Software oder Augmented Reality-Städteführer werden, also durch Apps, die direkt von einer Brille als solche profitieren. Derzeit sieht alles danach aus, als würde ein speziell angepasstes Betriebssystem zum Einsatz kommen.

Die Leistung der Hardware soll sich zudem auf dem Niveau eines modernen Smartphones bewegen, nähere Details blieb Google aber bislang noch schuldig. Es wäre aber durchaus logisch, dass Google Glass nicht nur eigenständig arbeiten kann, sondern in Verbindung mit dem eigenen (Android-)Smartphone funktioniert. Eine enge Verflechtung mit dem Google-eigenen mobilen Betriebssystem ist wahrscheinlich, zumal viele der bislang gezeigten Funktionalitäten auch auf Smartphones mit Android 4.1 oder höher zu finden sind - allen voran der intelligente Assistent "Google Now".


Video zu Google Glass

Integration von Android inklusive Google Now würde Sinn machen

In einem kürzlich erschienenen Interview mit dem Technologie-Magazin IEEE Spectrum sagte Babak Parviz, Leiter von Googles Project Glass, dass die Datenbrille vor allem zwei Zwecke erfüllen soll: zum einen ist diese auf die Kommunikation via Bilder und Videos ausgelegt und andererseits soll sie ein Hilfsmittel sein, um auf Informationen aller Art extrem schnell zugreifen zu können. Generell soll das Gerät ein Werkzeug sein, um Antworten auf verschiedenste Fragen immer parat zu haben. Hier bleibt Google seinen Wurzeln als quasi allwissende Suchmaschine treu und Parviz nimmt mehr oder minder die Integration eines Google Now-ähnlichen Dienstes bereits vorweg.

Es ist also zu erwarten, dass der Google Knowledge Graph, der in der Lage ist, Suchanfragen semantisch und sinnerfassend zu beantworten, bei Google Glass eine tragende Rolle einnehmen wird. Trotz einer anzunehmenden Android-Kompatibilität, wird Google Glass laut Parviz als eigene und neue Plattform gehandhabt. Demnach werden nach derzeitigem Stand der Dinge auch keine Android-Apps darauf laufen, was aufgrund der Eigenheiten des Gerätes aber auch wenig Sinn machen würde. Für Applikationen wird es aber eigene, cloud-basierte APIs geben, mit denen sich Programme im Stile der bereits inkludierten Apps erstellen lassen.

Konkurrenz bahnt sich bereits an

Wearable Computing ist nicht nur bei Google ein heißes Thema. Google ist mit seinem Projekt aber nicht das erste Unternehmen, welches das Konzept einer Augmented Reality-Brille aufgreift. Manche davon, wie der MEG4.0 von Olympus befinden sich noch in den Kinderschuhen. Andere, wie etwa die Oakley Airwave, sind bereits im Handel erhältlich. Der Brillenaufsatz Vuzix M100 platziert sich von vornherein als Zusatz-Gadget für ein Smartphone, von dem aus die Brille gesteuert wird. Richtig ernst zu nehmende Konkurrenz ist keines dieser Produkte, vor allem weil Google mit Glass mehr vor hat, als bloß Inhalte vom Smartphone auf das Brillen-Display zu streamen.

Tragbare Smartphone-Ergänzungen

2013 wird voraussichtlich noch nicht das Jahr sein, in dem „Wearable Computing" Massentauglichkeit erlangt. Ein Trend hin zu Hardware, die direkt am Körper getragen wird und eng mit Smartphones zusammenarbeitet, zeichnet sich aber bereits deutlich ab. Eines des medial wohl am meisten beachteten Projekte der letzten Monate ist die Pebble Smartwatch. Den Machern gelang es im vergangenen Jahr via Kickstarter über 10 Millionen US-Dollar einzusammeln. Aus dem angepeilten Veröffentlichungstermin im September 2012 wurde aber nichts, demnächst sollen die Vorbesteller der Uhr mit E-Paper-Display aber beliefert werden.

Dieses Interesse an derartigen Konzepten hat nicht nur einige Start-Ups mit ähnlichen Produkten hervorgebracht, sondern offenbar auch niemand geringeren als das wertvollste Unternehmen der Welt auf den Plan gerufen. So soll Apple Gerüchten zufolge an einer eigenen Smartwatch arbeiten, die sich via Bluetooth mit einem iOS-Gerät verbindet. Die Uhr könnte - sofern Apple die Pläne wirklich durchzieht - Ende 2013 vorgestellt werden.

Begründete Bedenken

Der aktuelle Trend, alle Tätigkeiten mit diversen Gadgets zu erfassen und online zu archivieren, sorgt aber auch vermehrt für Kritik. Vor allem Google Glass ruft Datenschützer auf den Plan, die darin eine weitere Möglichkeit für Google sehen, seine User auszuspionieren. Laut den Machern von Google Glass ist aber immerhin keine Werbung oder ähnliches geplant - zumindest nach dem derzeitigen Entwicklungsstand. Andere Bedenken sind hingegen noch offensichtlicher, etwa Fragen zur Verkehrssicherheit oder zur allgemeinen Alltagstauglichkeit. Ob das optimistische Versprechen von Google-Gründer eingelöst werden kann, dass Nutzer von Google Glass die Datenbrille „frei und ohne mit einem Smartphone herumspielen zu müssen", erleben können, wird ebenfalls über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Denn was nützt ein auf Nützlichkeit getrimmtes Gadget, welches im Alltag mehr Probleme erzeugt, als es löst?

In dieser Parodie wird aufgezeigt, was bei Google Glass alles schief gehen kann

Fazit

Es ist schwer abzusehen, ob Google Glass ein Erfolg wird. Eine Verschmelzung mit Android würde Sinn machen, vorerst plant Google aber offenbar ein eigenes App-Ökosystem. Ob Google Glass das Ende von traditionellen Smartphones einläutet oder ob das Ganze ein gut gemeinter Rohrkrepierer bleibt, wird sich frühestens Anfang 2014 zeigen, denn dann soll das gute Stück (in welcher Form auch immer) in den Handel kommen.

Der Preis wird für den Erfolg eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Mutige Entwickler, die sich auf der vergangenen Google I/O ein Exemplar der „Explorer Edition" von Google Glass sicherten, bezahlten satte 1.500 US-Dollar und warten derzeit noch auf das für Anfang 2013 versprochene Produkt. Es ist durchaus denkbar, dass Google mit Project Glass eine ähnliche Strategie wie bei Android verfolgt und letztlich für Datenbrillen verschiedenster Hersteller nur das Software-Grundgerüst zur Verfügung stellt. (Raphael Schön, derStandard.at, 12.01.2012)