Wien - Quasi trauermarschartig gehen die Wiener Symphoniker im Musikverein zu einem hitzigen Akkord über - ein Zeichen für Sprecher Ignaz Kirchner: Er setzt sich zu jenem Tisch, auf dem ein voller Weinkrug wartet. Er gießt ein, nimmt einen Schluck, während sich Streichertremoli zur klaren Fläche lichten, die schließlich verschwindet. Der Applaus kommt da für Gerd Kührs Neuheit Jetzt wohin? eher zu früh, er hilft aber den letzten Werkworten dramaturgisch. "Die stille Freude wollt Ihr stören? Lasst mich bei meinem Becher Wein..."

Es war nicht das einzige Goethe-Zitat in dieser von der Gesellschaft der Musikfreunde in Auftrag gegebenen Komposition. Vielmehr besteht sie ausschließlich aus Weisheiten des Weimarer Meisters, die mit Heines Gedanken und jenen von Georg Christoph Lichtenberg verzahnt, um existenzielle Fragen kreisen und im Sprecher eine Art Propheten finden, dem der Singverein sprechend und klangvoll als mitunter angstvolle Masse begegnet.

Kühr hat die Möglichkeiten der Stimme facettenreich umgesetzt: Da sind kantable Chorpassagen, Chor-Sprecher-Dialoge, interessante Verzahnungen von Orchester und Vokalmasse. Die Symphoniker sind tendenziell im ruhigen Bereich angesiedelt; sie brechen aber mit markanten Statements in Pizzicato- und Glissando-Bereiche auf und betten den Chor bisweilen in einen aus hoch agierenden Geigen und Kontrabässen bestehenden Raum ein.

Hat Dirigent Fabio Luisi umsichtig für die Umsetzung des fein gearbeiteten Werkes gesorgt, legte er sich bei Bruckners 7. Symphonie mit Energie ins Zeug. Das ergab dann vor allem im Scherzo ein hohes Maß an kontrollierter, überzeugender Wucht und ansonsten eine respektabel spannende Wanderung durch das symphonische Gebirge. Luisi und die Symphoniker hört man am Samstag übrigens wieder - diesfalls mit Pianist Rudolf Buchbinder.   (Ljubisa Tosic, DER STANDARD, 12./13.1.2013)