Petra Bekerthy hat "Stetteldorf Pendelt Anders" (SPA) gegründet.

Foto: Der Standard/Christian Fischer

Auf das "SPAMobil" müssen die Schüler, die vom Bahnhof Absdorf heim nach Stetteldorf fahren, weniger lange warten als auf dem Postbus. Förderungen gab es für die Initiative bisher nicht.

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Stetteldorf am Wagram - Der elfjährige Gregor rutscht vom Sessel, läuft zu den Wohnzimmerfenstern und ruft seiner Mutter zu: "Der SPA-Bus ist da." Vor dem Haus der Familie Bekerthy ist ein weißer Ford Transit vorgefahren, auf dessen Außenwänden Werbekleber picken - so dicht wie auf dem Helm so manchen Skirennfahrers. Der SPA-Bus hat nichts mit Wellnesstempeln zu tun, die hat die Gegend hier nicht zu bieten. SPA steht für "Stetteldorf Pendelt Anders".

Stetteldorf am Wagram liegt zwischen Weingärten im Bezirk Korneuburg. Ein Ort mit gut 1000 Einwohnern, die hinter zuckerlfarbenen Fassaden wohnen. Dazwischen das Kaufhaus Höfferl, Nahversorger und Post-Ersatz, das noch von 12 bis 15 Uhr eine Mittagspause hält. Dazu Wirtshaus, Kirche, Friseur. Und die seit Jahren in Generalsanierung befindliche Juliusburg, wo 1683 der Polenkönig Jan Sobieski, Herzog Karl von Lothringen und deutsche Fürsten an der Kante des Wagram die Befreiung Wiens von den Türken planten.

Wunsch nach mehr Mobilität

Ganz andere Pläne schmiedete Petra Bekerthy dreieinviertel Jahrhunderte später nur einige hundert Meter entfernt. Gemeinsam mit anderen Stetteldorfern zerbrach sich die Mutter zweier schulpflichtiger Buben den Kopf darüber, wie Menschen im Großraum des 25 Quadratkilometer umfassenden Gemeindegebiets ohne eigenes Auto mobiler sein könnten.

"Die Leute werden älter, die Kinder ziehen weg", sagt die 47-Jährige. Sie wollte nicht länger zusehen, wie Pensionisten mangels Alternativen zu Hause blieben, und gründete mit Mitstreitern im September 2009 den Vorläufer des heutigen SPA-Vereins: Mit Privat-Pkws fuhren einige Stetteldorfer ehrenamtlich zu fixen Zeiten fixe Strecken und boten an, man möge mitfahren. "Aber das hat keiner angenommen", sagt Bekerthy. "Da habe ich gesagt: Dann müssen wir es eben anders machen."

Bereit 50.000 Kilometer zurückgelegt

Morgen, Dienstag, ist es auf den Tag genau drei Jahre her, dass die Gruppe den gemeinnützigen Verein "SPA" gründete. Bekerthy stellt dessen Obfrau. Im August 2010 erwarb der Verein einen Ford Transit mit neun Fahrgastsitzen - jenen Wagen, der vor wenigen Augenblicken vor Bekerthys Haus geparkt hat.

Der Bus ist nun für zahlende Vereinsmitglieder - derer es circa 135 gibt - Montag bis Freitag von Tür zu Tür unterwegs, zu jedem gewünschten Termin zwischen 6 und 18 Uhr. Hinter dem Steuer sitzen ehrenamtliche Fahrer, die einander in Halbtagesschichten ablösen. Gefahren wird ausschließlich im Gebiet Stetteldorf, in dessen Katastralgemeinden und zu den ÖBB-Bahnhöfen Absdorf und Gaisruck. Trotz der kurzen Wegstrecken ist der Transit bereits gut 50.000 Kilometer durch die Gegend gerollt.

Gerald Baumholzer hatte an diesem Tag die Vormittagsschicht. Um 5.55 Uhr hat er sich hinter das Steuer gesetzt. Seit August 2012 ist er einer der 15 Freiwilligen, die Stetteldorfer von A nach B führen. Baumholzer ist Pensionist, Bekerthy im Brotberuf Buchhalterin, unter den Fahrerkollegen finden sich auch zwei Polizisten.

Pendler aus Fixbucher

"Ich habe drei Kinder. Wir hätten uns viel erspart, wenn es das Angebot früher schon gegeben hätte", sagt Baumholzer und übergibt der Vereinschefin die Fahrzeugschlüssel, ein Handy sowie den Fahrplan: eine vorläufige Liste, auf der nach Uhrzeit Orte und Passagiernamen aufgereiht sind. Vor allem Pendler haben oft fixe Daueraufträge bei SPA. Zwischendurch ruft aber auch immer wieder jemand an, der spontan eine Fahrt braucht.

Jetzt geht es zum Bahnhof Absdorf. Dort steigen drei Schüler und eine junge Frau ein. Wer wohin will, fragt Bekerthy nicht. Sie weiß es längst. Der 15-jährige Daniel hat auf dem Beifahrersitz Platz genommen. Warum er nicht mit einem der Postbusse fährt? "Der geht nicht oft", erklärt er. Es sind vor allem Jugendliche oder berufstätige Pendler, die das SPA-Mobil nutzen. "Pensionisten rufen nur ab und zu an", sagt Bekehrty.

Kein Zuschuss vom Land Niederösterreich

Rund 50 der zahlenden Mitglieder nehmen regelmäßig den Vereinsbus. Der Fahrtkostenbeitrag beträgt 130 Euro im Jahr für Schüler, 320 Euro für Erwachsene. Die Versicherung zahlt die VP-regierte Gemeinde, weitere Kosten deckt der Verein aus den Einnahmen von den Werbeklebern auf dem Bus.

Das Land Niederösterreich hat den Stetteldorfern bisher keinen Cent zugeschossen. Was die Abteilung Verkehr nicht davon abhielt, das SPA-Mobil als "Best Practice"-Beispiel in einer Broschüre für " kleinräumige Mobilitätsangebote" unter Mithilfe Freiwilliger anzuführen. Künftig sollen solche Projekte, wenn sie verschiedene vom Land vorgegebene Kriterien erfüllen (darunter auch Fahrtmindestpreise), 30 bis 40 Prozent der "effektiven Kosten" vom Land zugeschossen bekommen. Seit 1. Jänner 2013 kann dafür um Förderung angesucht werden. Ob die Stetteldorfer Landesmittel erhalten, wird noch geprüft. "Die Gespräche laufen", heißt es dazu aus dem Büro des Verkehrslandesrats Karl Wilfing (VP).

Keine Chance auf Zivi

Bekerthy sieht zusätzlich auch den Bund gefordert. "Bei der ganzen Debatte um Zivildienst und soziales Jahr denke ich mir, da sollte man die Kriterien ändern, damit wir auch die Chance auf eine solche Unterstützung hätten." Sie habe sich erkundigt, aber ihr Verein erfülle die Voraussetzungen nicht, um einen Zivildiener zu bekommen. So ist die Vereinsobfrau bei der oft nicht so einfachen Suche nach Fahrern auf viel Engagement angewiesen. Ihren Leuten müsse ein "Danke" reichen. Und einmal im Jahr ein Essen beim Heurigen.

Inzwischen hat der Bus viermal gehalten, die Sitze sind wieder leer. Der Transit parkt erneut vor dem Haus der Bekerthys. Schnell hinein auf einen Kaffee. In 20 Minuten steht die nächste Tour an. (Gudrun Springer, DER STANDARD, 14.1.2013)