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Die Luftverschmutzung ist keine Pekinger Besonderheit, sondern von nationaler Tragweite. Seit Sonntag wurden in 33 Städten Luftbelastungen in gesundheitsgefährdender Höhe festgestellt.

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Peking - Nebel und hoch konzentrierter Smog halten große Teile Chinas und Hunderte Millionen Menschen im wahrsten Sinn des Wortes weiter in ihrem Würgegriff. Hunans Provinzhauptstadt Changsha musste bei Sichtweiten von unter 50 Metern Nebelwarnung mit der höchsten Alarmstufe geben. Peking hatte zuvor am Sonntag seinen Warnpegel auf die zweithöchste Stufe erhöht.

Eine Wetterlage mit anhaltendem Hochdruck und Windstille trägt Schuld an der Umweltkatastrophe mit den höchsten jemals in China gemessenen Smogwerten. Wetterforscher des Nationalen Meteorologischen Amts (NMC) erwarten ein Ende des Nebels ab Mittwoch, wenn eine erneute Kaltfront ihn auflösen würde: "Dann kommt es zum befreienden Luftaustausch."

In der 20 Millionen Einwohnermetropole Peking ließ das Umweltamt am Montag die Arbeit auf 28 Großbaustellen vorläufig einstellen. 54 Gewerbe müssen sich einschränken, um ihre Emissionen um 30 Prozent begrenzen zu können. Der Autobauer Hyndai hatte seine Pekinger Produktion schon am Sonntag für einen Tag gestoppt. Pekings Behörden appellierten zugleich an die mehr als 30.000 Fabriken und Betriebe in der Stadt, freiwillig ihre Emissionen zu drosseln.

Weltrekordwerte

Die Hauptstadtbehörden reagierten erst so hektisch, nachdem in mehreren Stadtteilen die Feinstaubverschmutzung der Luft am Wochenende mit bis zu 998 Mikrogramm pro Kubikmeter Weltrekordwerte erreichte. Das war das 40-Fache der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) tolerierten Menge. Der meiste Smog entsteht durch Pekings Kohleverbrennung und durch die Abgase von 5.2 Millionen Fahrzeugen.

Wer es sich leisten konnte, blieb am Montag zu Hause. Die Beijing Times riet auf ihrer ersten Seite der Bevölkerung, ihre Fenster nur bis zu 20 Minuten am Tag zu öffnen. Die Elektronikkaufhäuser verbuchten boomende Geschäfte mit Luftbefeuchtern. Die größten Online-Anbieter Taobao und Tianmao verkauften bis Sonntagnacht 480.000 Atemschutzmasken.

Die Luftkatastrophe hat die Öffentlichkeit aufgeschreckt. Selbst das Parteiorgan Volkszeitung überschrieb ihren Kommentar auf der Titelseite: "Ein schönes China beginnt mit gesundem Atmen." Die China Daily sorgte sich, dass die Hauptstadt künftig nicht nur mit den Imageworten "Peking Ente und Peking Oper", sondern künftig auch mit dem Reizwort "Pekinger Husten" gleichgesetzt wird.

"Von nationaler Tragweite"

Sie begrüßte es, dass der Schock über den Smog endlich eine "gesunde Debatte" über Lösungswege ausgelöst hat. Die Luftverschmutzung sei keine Pekinger Besonderheit, sondern von nationaler Tragweite. Seit Sonntag wurden in 33 Städten Luftbelastungen in gesundheitsgefährdender Höhe festgestellt.

China verantwortet mit einem Anteil von fast 25 Prozent am Weltenergieverbrauch in absoluten Zahlen nicht nur die höchste Menge an Emissionen, sondern ist auch der weltgrößte Kohleverbrenner. Ungeachtet aller Investitionen in umweltfreundliche Wind- oder Solarenergien habe Pekings Energiepolitik seine Kohlekraftwerke zur Strom- und Wärmeerzeugung gigantisch ausbauen lassen. 2005 waren Kohlekraftwerke mit 370 Gigawatt Leistung installiert. 2012 waren es 650 Gigawatt, und 2015 sollen es 933 Gigawatt werden. 2011 trug die Kohleverbrennung zu 82,5 Prozent zur Stromenergie-Erzeugung bei. Wasserkraft kam auf einen Anteil von 14 Prozent, Kernenergie auf 1,85 Prozent und Windkraft auf 1,55 Prozent. (Johnny Erling aus Peking, DER STANDARD, 15.1.2013)