Der Patriarch und das Mädchen: Edgar Selge als gruseliger Forscher Ebbo von Siering und Paula Beer als seine Tochter Oda.

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Wien - Solange sie denken könne, hegte der Vater eine große Zuneigung für den Tod, erinnert sich Oda Schäfer: "eine größere vielleicht als zu mir." Die Verlockungen des Jenseits als romantische Vorstellung in einer Zeit der Umbrüche treiben aber auch sie, die spätere Lyrikerin, die sich in Poll, Mittwoch, 20.15 Uhr auf Arte, an ihre Kindheit in Estland 1914 erinnert. Als über die russische Ostseeprovinz die Baltendeutschen herrschen, Adelige, die dem Zaren ergeben sind und jeden Widerstand der unterworfenen Esten niederschlagen.

Wie ein Skelett ruht das Gut Poll an der Ostseeküste. Zerbrechlich und störrisch zugleich wehrt es sich gegen den Zahn der Zeit. In dieses fragile Gebilde dringt die 14-jährige Oda (Paula Beer) ein. Sie trifft auf ihren Vater Ebbo (Edgar Selge), einen Sonderling und traurig-brutalen Patriarchen. Auf ihre Tante Milla (Jeanette Hain), die mit dem Verwalter (Richy Müller) ein grimmiges Verhältnis hat.

Christian Kraus erzählt die Geschichte seiner Großtante, der Lyrikerin Oda Schäfer mit großer Bildkraft und eindrucksvollem Ensemble. Behände spielt der Regisseur mit Dichtung und Wahrheit, um in einer Frauenbiografie die großen Brüche dieses vergessenen Kapitels der Weltgeschichte darzustellen. Während am Gut die Familie im Kammerkonzert Schuberts Forellenquintett fiedelt, schleppt Oda einen verletzten, russischen Anarchisten ins Dachgeschoß ein. Irgendwann werden sie Walzer tanzen. (Doris Priesching, DER STANDARD, 16.1.2013)